Romana Exklusiv 0190
hören. Bitte, trinken Sie noch einen Cappuccino.“
Flora dankte ihm und nahm notgedrungen wieder Platz. Während sie sich um äußere Gelassenheit bemühte, hielt sie verzweifelt nach Roberto Ausschau.
„Ich hoffe, Sie haben den Aufenthalt in San Silvestro genössen“, fuhr Tonio nach einer Pause fort. „Wie schade, dass alle schönen Dinge einmal enden müssen.“
„Ich habe noch ein paar Tage Urlaub.“
„Ja, aber es dürfte sich für Sie einiges ändern, nachdem Fabio sich seiner Verantwortung für Altimazza besonnen hat. Er kann schließlich nicht täglich zwischen San Silvestro und Mailand pendeln. Das Castello kann ein ziemlich einsamer Ort sein.“
Sie rang sich ein Lächeln ab. „Bitte machen Sie sich meinetwegen keine Sorgen, Signor Baressi. Das ist wirklich nicht nötig.“
„Nennen Sie mich Tonio. Ich versichere Ihnen, dass ich nur Ihr Freund sein will.“
„Danke.“ Sie griff in ihre Tasche und holte genug Geld heraus, um ihren eigenen Kaffee zu bezahlen. „Das ist nett von Ihnen, doch nun muss ich los.“
„Auf Roberto brauchen Sie nicht zu warten“, meinte er beinahe gelangweilt. „Er ist nach San Silvestro gefahren. Ich habe ihm gesagt, ich würde Sie persönlich zum Castello bringen.“
Flora traute ihren Ohren kaum. „Dazu hatten Sie kein Recht! Ich ziehe es vor, selbst für meinen Transport zu sorgen. Ich werde ein Taxi …“
Tonio grinste unbeeindruckt. „Sie fürchten, ich könnte zudringlich werden?“ Er schüttelte den Kopf. „Das werde ich nicht. Ich biete Ihnen lediglich meine Freundschaft – etwas, worauf Sie vielleicht schon bald angewiesen sein werden. Also vergessen Sie den Unsinn mit dem Taxi. Es ist mir ein Vergnügen, Sie zu fahren.“
Trotzig hob sie das Kinn. „Ich möchte sofort aufbrechen. Roberto wird einigen Ärger mit Alfredo bekommen, weil er mich im Stich gelassen hat. Möglicherweise wird er sogar gefeuert.“
Er zuckte die Schultern. „Er wird mühelos einen neuen Job finden.“
Tonio fuhr ebenfalls einen Sportwagen, allerdings ein wesentlich auffälligeres Modell als Vittorias Flitzer, den Fabio in London benutzt hatte. Leider überschätzte er auch seine Fahrkünste, und Flora musste sich mehr als einmal am Sitz festklammern.
Als er plötzlich die Küstenstraße verließ und landeinwärts abbog, stutzte sie. „Das ist nicht die Strecke nach San Silvestro.“
„Ein kleiner Umweg zur anderen Seite der Landzunge. Meine Tante, die Contessa Baressi, hat den Wunsch geäußert, Sie kennenzulernen. Sie wollen sie doch nicht enttäuschen, oder?“
„Mir wäre es lieber, man hätte mich vorher gefragt. Falls Fabio möchte, dass ich seine Patin treffe, kann er die Begegnung selbst arrangieren.“
„Fabio ist in Mailand.“
„Ja, aber er kommt heute Abend zurück. Ich werde die Einladung erwähnen und …“
„Meine Tante wünscht Sie jetzt zu sehen“, unterbrach er sie sanft. „Und ihre Wünsche werden unverzüglich erfüllt – auch von Fabio. Die beiden Familien waren einander stets sehr nahe. Er und die Contessa haben eine ganz besondere Beziehung.“
„Ein Grund mehr, weshalb er anwesend sein sollte“, wandte sie ein.
„Leider beabsichtigt die Contessa, in Kürze nach Rom zurückzukehren. Sie wollte Sie unbedingt vor ihrer Abreise sehen.“
Sie passierten ein Steintor und folgten der gewundenen Auffahrt zum Haus.
Es war ein großes, dreistöckiges Gebäude aus Naturstein inmitten eines gepflegten Parks. Vor dem Portal plätscherte ein kunstvoll verzierter Brunnen. Verglichen mit dem Castello fand Flora das Anwesen nicht sehr reizvoll. Oder lag es nur daran, dass sie sich gezwungenermaßen hier aufhielt?
Tonio parkte den Wagen. Dann stieg er aus, kam zur Beifahrerseite und öffnete die Tür. Als er Floras Arm packte, lächelte er triumphierend. „Avanti. Gehen wir.“
Erbarmungslos zog er sie die Stufen hinauf ins Haus.
8. KAPITEL
Flora hatte das Gefühl, eine Höhle zu betreten. Die Halle war groß und hoch, aber auch sehr dunkel.
Tonio hielt noch immer ihren Arm und zwang sie, dem alten Dienstmädchen zu folgen. Erst als die Frau eine hohe Doppeltür weit aufstieß, riss Flora sich mit unverhohlenem Abscheu los und ging hoch erhobenen Hauptes weiter.
Sie befand sich nun in einem weitläufigen Raum mit Fenstern auf zwei Seiten. Obwohl sie erkennen konnte, wohin sie trat, ließen die schweren Vorhänge und der Überfluss an verschnörkelten Möbeln die Umgebung nicht weniger bedrückend wirken. Man könnte fast meinen,
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