Romana Exklusiv 0225
daransetzen, ihn mit ihrem Auftreten zu beeindrucken.
Doch zunächst, in den nachfolgenden zwei Stunden, war erst einmal Sarah von Ben tief beeindruckt. Als sie nämlich während ihres Assistierens beobachten konnte, wie er eine heikle Knieverletzung mit großer Fingerfertigkeit in feiner Präzisionsarbeit operierte. Nicht von ungefähr hatte Ben sich als Chirurg einen Namen gemacht.
Als er zum Schluss eine letzte Naht setzte und Sarah für ihn das medizinische Besteck reinigte, wagte sie ihm die Frage zu stellen, die ihr unter den Nägeln brannte. „Warum ließen Sie Tori und mich damals in dem Glauben, Sie seien so etwas wie ein Feriendoktor?“
Ben zuckte die Achseln. „Zu der Zeit war ich das doch auch.“
„Aber eigentlich sind Sie Chirurg … in der Orthopädie, oder?“
Er nickte und sprach ruhig, während er an dem Patienten letzte Handgriffe vornahm. „Wenn Sie es ganz genau wissen wollen, dann ist mein zentrales Gebiet die Pädiatrie. Zu mir kommen ganz oft Kinder mit Problemen bei der Knochenbildung, mit Marfan-Syndrom, Arthritis, Gehirnlähmung. Zum Glück muss ich keine Kinder mit Knochenkrebs behandeln.“
Das war alles andere als die Beschäftigung eines Modearztes. Umso eigenartiger fand Sarah seine regelmäßigen langen Unterbrechungen. „Kommen Sie auf die Fidschi-Inseln, um sich von der Anstrengung Ihrer komplizierten Tätigkeit zu erholen?“
„Wenn man so will, ja. Aber ich genieße es auch, hin und wieder wie ein Hausarzt unterwegs zu sein. Als Spezialist auf einem bestimmten Sektor bekommt man mit der Zeit leicht einen eingeengten Horizont. Da ist es schön, ganz verschiedene Patienten mit sehr unterschiedlichen Gesundheitsproblemen zu behandeln.“
Sarah fand es trotzdem äußerst ungewöhnlich, dass ein gefragter Facharzt wie er einen Teil des Jahres als „Hausarzt“ auf einer Insel verbrachte. Da musste doch noch ein anderer Grund dahinterstecken, oder? Sie wurde immer wissbegieriger.
„Führen Sie auf den Fidschis sonst auch orthopädische Operationen durch?“
Ben schaute nicht auf. „Selbstverständlich.“
„Heißt das, Sie hätten Toris Bein operieren können?“
„Theoretisch ja.“
„Da wären Tori und ich vielleicht nicht abgereist.“ Sie schluckte. „Aber Sie haben uns das nicht verraten. Und hörten es sich überdies seelenruhig an, als ich sagte, die medizinischen Standards seien bei uns in Auckland besser.“ Sarah schaute auf Bens schlanke Hände, wollte sich gerade aber nicht davon beeindrucken lassen. „Aus welchem Grund haben Sie uns diese Möglichkeit verschwiegen?“
„Sie hatten mich zuvor recht deutlich als einen Feriendoktor mit lockerem Lebensstil abgestempelt. Hätte ich Ihnen angeboten, Ihre Schwester zu operieren, hätten Sie doch wohl wenig begeistert abgewinkt, oder?“
„Wahrscheinlich ja“, gab Sarah unumwunden zu. „Aber nur, weil Sie uns nicht besser über sich aufklärten. Sonst …“ Sie brach ab, da ihr mit Schrecken bewusst wurde, in welches Fahrwasser sie beim Weitersprechen geraten konnte.
„Sonst wären Sie beide gleich auf mich geflogen?“
Glaubte er wirklich, sie und Tori seien dermaßen oberflächlich?
„Nein, natürlich nicht …“, begann sie bemüht locker, doch er unterbrach sie.
„Warum sind Sie hier, Sarah?“
Herrje, er schien sie im Verdacht zu haben, dass sie jetzt, wo sie mehr über seinen Status wusste, unter dem Deckmantel des Hilfseinsatzes hinter ihm herjagte. „Ich hätte mich nach der Wirbelsturmkatastrophe sowieso hier engagiert“, erklärte sie ernst. „Zugegeben, ich habe mich dafür eingesetzt, nach Suva zu kommen, denn auch ein nur vage vertrautes Gesicht ist an einem fremden Ort etwas Angenehmes. Zumal das Arbeiten hier für mich völlig ungewohnt ist.“
Sie konnte erkennen, dass Ben unter seinem Mundschutz lächelte. „Seien Sie unbesorgt, Sie leisten tolle Arbeit hier, und ich bin froh, dass Sie Suva als Einsatzort gewählt haben.“
War er wirklich froh darüber? Sarah grübelte stumm, wie ehrlich seine Worte gemeint waren.
„Wissen Sie schon, wo und wozu Sie in den nächsten Tagen eingesetzt werden?“
Sarah rieb sich den Nacken. „Nein. Vermutlich assistiere ich wieder bei Operationen. Vielleicht treffe ich Sie dabei noch einmal.“
„Vielleicht.“ Ben zögerte. Doch immer stärker spürte er, wie ihm diese Ungewissheit missfiel. „Ich gehe gleich zum Einsatzleiter, Dr. Singh, um zu fragen, wo ich als Nächstes am dringendsten gebraucht werde. Möchten Sie mich
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