ROMANA EXKLUSIV Band 0178
Verstand. Wo bin ich da hineingeraten?, fragte sie sich. Je schneller sie von hier fortkam, desto besser. Sie war nie ein Snob gewesen, musste aber zugeben, dass diese besondere Situation sie vorübergehend überwältigt hatte.
Ein leises Klopfen an der Tür riss sie aus ihrer Träumerei. Sie glaubte, es sei eines der Dienstmädchen und forderte zum Eintreten auf. Doch als die Tür sich öffnete und Francisco auf der Schwelle stand, spürte sie einen schmerzhaften Stich in ihrem Herzen. Er hatte sich umgezogen. Das schwarze Seidenhemd und die schwarzen Jeans, die er jetzt trug, ließen den Mann noch ernster und kälter wirken.
„Schauen Sie nicht so erschreckt.“ Als sie überrascht den Mund öffnete, sah sie ein flüchtiges Lächeln um seinen Mund huschen. „Wenn all meine Patienten wie Sie reagiert hätten, hat mich wohl ein gnädiges Schicksal davor bewahrt, dass ich nicht Arzt geworden bin, nicht wahr?“
„Entschuldigung.“ Sie fasste sich mühsam wieder, als er langsam mit seiner Arzttasche auf sie zukam.
„Schmerzt der Knöchel noch?“ Nachdem er den geschwollenen Fuß untersucht hatte, umwickelte er ihn geschickt mit einer Bandage.
„Nein, nein“, sagte sie rasch, wobei sie sich auf den Schmerz zu konzentrieren versuchte und nicht auf die Berührung seiner warmen Finger.
„Die Kleider sind hübsch“, bemerkte sie nach einigen Sekunden, um überhaupt etwas zu sagen. Die Stille war unerträglich geworden.
„Gut.“ Er hob den Kopf. „Ich dachte mir, dass sie Ihnen mit leichten Änderungen passen würden.“ Er schaute auf die Hose, deren Beine sie ein paar Zentimeter hochgerollt hatte.
Unwillkürlich errötete sie bei dem Gedanken an die Spitzenunterwäsche, die auf dem Bett lag. Weibliche Formen waren für ihn kein Geheimnis. Wieder war es, als könne er ihre Gedanken lesen.
„Kein Grund, verlegen zu sein.“ Seine Stimme klang spöttisch, aber nicht unfreundlich. „Da ich achtunddreißig Jahre alt bin, sind mir die Dinge nicht unbekannt, die Damen unter ihrer Kleidung tragen.“
„Das bezweifle ich nicht“, sagte sie so leichthin, wie sie konnte. „Aber ich bin es nicht gewöhnt, dass Männer für mich Kleidung auswählen.“
Seine Miene veränderte sich, als er auf sie herabblickte. Ihr langes silbriges Haar lag wie mondbeschienenes Wasser auf dem Kissen und verlieh ihrem Gesicht einen märchenhaften Schimmer.
„Ich verführe keine Kinder, Miss Laura Wilson. Sie brauchen keine Angst zu haben.“ Seine Stimme war ausdruckslos. „Sie haben heute eine böse Erfahrung gemacht. Lassen Sie es dabei bewenden.“
„Was soll das heißen?“, fragte sie hitzig. „Dass Sie mich für ein Kind halten? Sie glauben noch immer nicht, dass ich zweiundzwanzig bin. Ist es das?“
„Ihre Lebensjahre haben damit nichts zu tun“, sagte er ruhig. „Nicht einmal die Tatsache, dass Sie fünf Jahre jünger aussehen. Ich kann Ihren Augen, Ihrem Körper, Ihrem ganzen Auftreten entnehmen, dass Sie die unerfreuliche, düstere Seite des Lebens noch nicht kennengelernt haben. Das ist gut. Halten Sie sich daran, solange Sie es können, und suchen Sie sich Partner, die ebenso denken.“
„Sie gehören nicht dazu?“ Laura wusste nicht, was sie veranlasste, eine so direkte Frage zu stellen. Er erstarrte und atmete dann langsam aus.
„Ich nicht“, stimmte er grimmig zu, wobei sein Blick etwas weicher wurde. „Bleiben Sie im Sonnenschein, solange Sie es können, meine kleine englische Infanta. Die Schatten werden Ihnen bald genug winken.“
„Infanta?“ Ihr missfielen seine ständigen Anspielungen auf die Tatsache, dass er ihr Verhalten nicht erwachsen fand. Sie hatte zugegebenermaßen einen Fehler gemacht, als sie mutterseelenallein durch ein fremdes Land reiste, dessen Sprache sie nicht beherrschte. Doch bisher war sie ganz gut zurechtgekommen! Sie war kein Kind mehr und seines überlegenen, verächtlichen Verhaltens überdrüssig. „Was heißt Infanta?“, fragte sie gereizt. „Infant, Baby, nehme ich an.“
„Keineswegs.“ Er hatte sich an einen Pfosten des Bettes gelehnt, die Arme verschränkt und schaute sie ausdruckslos an. „Es heißt Prinzessin. Sie sehen, ich war nicht beleidigend.“
„Das ist etwas anderes.“ Plötzlich merkte sie, dass sie ihre Zunge nicht im Zaum halten konnte. Das Bedürfnis zu beweisen, dass sie nicht völlig naiv war, wurde übermächtig. „Ich bin nicht das kleine unschuldige Ding, das Sie aus mir machen wollen“, sagte sie mürrisch. „Ich habe
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