ROMANA EXKLUSIV Band 0179
neue Freundin war wirklich eine sehr abweisende junge Frau. Warum nur? Jon hatte ihr anscheinend nichts über sein Elternhaus erzählt, bevor er sie hierher gebracht hatte. Aber das war noch lange kein Grund, um ihn, Richard, zu behandeln, als sei er an all den Missverständnissen schuld! Er hatte sich Mühe gegeben, ein freundlicher Gastgeber zu sein, während Victoria Helen wie eine von Jons früheren Freundinnen behandelt hatte. Meine Schwester neigt leider zu Vorurteilen, dachte Richard, und sie hat die Tatsache noch immer nicht verkraftet, dass Helen eine Tochter hat – eine uneheliche Tochter, wie Victoria betonte. Dabei war Helen nicht wie die anderen Frauen, die Jon mitgebracht hatte. Es war offensichtlich, dass sein Sohn sie wirklich gernhatte, viel lieber als all die anderen. Wenn die Beziehung nicht klappte, lag es sicher nicht daran, dass Jon sich keine Mühe gab.
Richard hatte Schwierigkeiten, Helens Haltung ihm gegenüber zu verstehen. Falls sie an Jon ernsthaft interessiert war, würde sie doch bestimmt versuchen, auch zu den anderen Familienmitgliedern ein gutes Verhältnis aufzubauen. Aber jedes Mal, wenn er Helen in ein Gespräch verwickeln wollte, erteilte sie ihm eine Abfuhr. Dabei war es weniger das, was sie sagte, als die Art, wie sie es sagte. Offen und unmissverständlich zeigte sie ihm, dass sie keine Lust hatte, sich mit ihm abzugeben.
Richard stand vor einem Rätsel. Bislang hatten Frauen eigentlich gern seine Gesellschaft gesucht. Umso ungewöhnlicher war Helens Verhalten. Er hatte sie beobachtet, als sie mit Jon zusammen gewesen war. Bei seinem Sohn war sie jedoch stets entspannt und fröhlich. Nein, die abweisende Haltung nahm sie nur dann ein, wenn sie mit ihm, Richard, allein war, und diese Erkenntnis gefiel ihm gar nicht.
Eigenartigerweise erinnerte Helen ihn an jemanden. Nicht, dass er glaubte, ihr schon jemals begegnet zu sein. Dazu war er zu alt. Vielleicht würde er noch dahinterkommen, weshalb sie ihm bekannt vorkam.
Richard musste zugeben, dass Helens Verhältnis zu Victoria ebenfalls nicht besonders gut war. Aber das lag vor allem an seiner Schwester. Victoria ärgerte sich noch immer über das Gespräch, das er mit ihr in der Nacht vor Helens und Jons Ankunft geführt hatte. Außerdem war sie viel zu sehr mit den Vorbereitungen für die Galerieeröffnung beschäftigt gewesen. Am meisten hatte sie sich darum gesorgt, dass ihr Bruder sein Versprechen halte und seinen Sohn bitten würde, der Party fernzubleiben.
Richard war von Anfang an gegen die Unterhaltung mit Jon gewesen. Und die Reaktion seines Sohnes hatte ihn in dieser Meinung bestärkt.
„Was ist denn los?“, hatte Jon sich sarkastisch erkundigt. „Hat Victoria Angst, dass ich ihr die Schau stehle?“
„In gewisser Weise“, hatte Richard eingeräumt, da es wenig Sinn machte, die Wahrheit abzustreiten. „Wundert dich das? Du kennst doch deine Tante!“
Jon seufzte. „Nun, manchmal treibt sie mich einfach zum Wahnsinn. Ich habe das Gefühl, dass ich eigentlich nur noch als Besucher in meinem Zuhause geduldet werde. Und nur weil du ihr nie widersprichst, ist sie zu dir höflich und freundlich.“
„Jetzt reicht es aber!“, warnte Richard seinen Sohn. „Wenn du dich hier wie ein Besucher fühlst, dann liegt das an dir selbst. Wir bekommen dich nur zu sehen, wenn du etwas willst – sei es Geld, ein neues Auto oder eine Unterkunft für eine deiner Freundinnen. Erstaunt es dich wirklich, dass deine Tante dir gegenüber manchmal die Geduld verliert? Sie hat dich gern, Jon, aber das merkst du nicht einmal.“
„Mag schon sein. Vielleicht hast du recht, und ich habe dieses Haus in den letzten Jahren wie ein Hotel benutzt, aber das könnte sich in Zukunft ändern.“
„Ändern?“ Richard hob eine Augenbraue.
„Ja. Ich denke daran, die Band zu verlassen. Ich habe es satt, immer nur aus dem Koffer zu leben und von Auftritt zu Auftritt zu reisen. Seit ich Helen kenne, glaube ich allmählich, dass ich eher komponieren sollte, statt Musik zu machen. Möglicherweise könnte ich sogar sesshaft werden.“
„Etwa auf der Insel?“, fragte Richard irritiert.
„Schon möglich“, antwortete Jon. „Also sollte sich Tante Vicki langsam an meine Anwesenheit gewöhnen. Aber wenn sie damit ein Problem hat, muss sie andere Vorkehrungen treffen.“
Dennoch hat Jon meine Bitte respektiert, musste Richard einräumen. Er hatte versprochen, die Party nicht zu stören, und Victoria würde keinen Grund zur Klage haben.
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