ROMANA EXKLUSIV Band 0179
geworden, erinnerte Helen sich und trat auf den Balkon hinaus, nicht auf der Rückfahrt, wie ich Jon erzählt habe. Sie hatte sich über die Reling der Jacht gebeugt und sich übergeben. Und auch nachdem ihr Magen längst leer war, hatte sie weiterhin einen starken Brechreiz verspürt. Wenn sie jetzt ihren flachen Bauch betastete, fühlte sie, wie die Muskeln schmerzten.
Was hatte Richard eigentlich gesagt, worauf sie so heftig reagiert hatte? Warum hatte sie sich so aufgeregt, dass das Versteckspiel ein Ende gefunden hatte? Dabei hatte er nicht einmal gedroht, Jon alles zu erzählen. Im Gegenteil, er wollte gerade wegen Jon die Dinge zwischen ihnen klären. Und doch hatte Richard nicht das gesagt, was sie hatte hören wollen – aber weshalb nicht, konnte sie sich nicht erklären.
Wieso wollte er unbedingt wissen, warum sie ihn in jener Nacht verlassen hatte? Im Grunde war es ihm doch völlig egal. Damals hatte sie geglaubt, oder vielmehr erwartet, dass sie ihn wiedersehen würde, nachdem sie das Hotel in den frühen Morgenstunden verlassen hatte. Immerhin hatte sie Richard erzählt, dass sie in dem Weinlokal arbeitete, und ihm vorgeschwindelt, sich mit dem Geld die Ausbildung zu finanzieren. Aber als sie sechs Wochen später herausfand, dass sie schwanger war, hatte er sich noch immer nicht bei ihr gemeldet. Sie hatte ihn seit jener schicksalhaften Nacht nicht wiedergesehen. Wegen der Schwangerschaft hatten ihre Eltern darauf bestanden, dass Helen den Halbtagsjob aufgab.
Anfangs erzählte sie keinem Menschen, nicht einmal ihren Eltern, wer Dianas Vater war. Sie ließ alle im Glauben, ein Gast des Lokals hätte ihre Naivität ausgenutzt. Hätte sie zugegeben, dass sie von jemandem verführt worden war, der fast siebzehn Jahre älter war als sie, hätte ihr Vater sich sicher auf die Suche nach dem Mann gemacht. Und das wollte sie nicht. Helen bestand darauf, ihr Baby zur Welt zu bringen, und ihre Eltern waren einverstanden, ihr zu helfen.
Damals hatte Helen angenommen, dass Richard verheiratet war. Dieser Gedanke tröstete sie, wenn sie besonders deprimiert war. Es war zwar keine Entschuldigung für sein Verhalten, aber es erklärte zumindest, warum er nicht mehr versucht hatte, sie wiederzusehen.
Inzwischen wusste sie jedoch, dass er damals schon von seiner Frau getrennt lebte. Eigentlich hätte diese Tatsache ihren Zorn auf ihn schüren sollen, aber im Moment fühlte Helen sich erschöpft und leer.
Vor allem aber musste sie an Diana denken. Ihre Tochter war nicht in akuter Gefahr. Richard nahm offensichtlich an, dass Helen nach ihm andere Männer gekannt hatte. Einerseits missfiel ihr, dass er ein solches Bild von ihr hatte, andererseits schützte sie damit ihre Tochter.
Helen seufzte. Das Schicksal ging manchmal wirklich eigenartige Wege. Hätte sie Jon nicht in jener Hotelbar in Deutschland kennengelernt, wäre sie jetzt nicht hier auf den Bermudas. Und hätte sie nicht in dem Weinlokal in Kensington gearbeitet, hätte sie nie Bryan Kordas Bekanntschaft gemacht. Eigentlich hätte sie gar nicht dort arbeiten dürfen, denn damals war sie noch nicht alt genug gewesen, um Alkohol auszuschenken.
Da Clive, der Inhaber des Lokals, mit ihrem Vater befreundet war, hatte er zugestimmt, sie einzustellen. Da Helen tagsüber einen Sekretärinnenkurs besuchte, konnte sie jedoch nur am Abend bei ihm arbeiten.
Eines Tages hatte Clive sie dann gefragt, ob sie nicht bei einer Eröffnungsparty in der Galerie Korda aushelfen wolle. Das Weinlokal lag direkt neben der Galerie, und Bryan Korda war Stammgast in Clives Bar. Bei einem seiner Besuche hatte er Helen eingeladen, einmal in der Galerie vorbeizuschauen. Da sie Interesse an den Bildern zeigte, erklärte er ihr viel über Kunst. Später bat er sie dann gelegentlich in der Galerie auszuhelfen, wenn die Empfangsdame krank war oder Urlaub machte. Natürlich hatte Helen nicht immer Zeit dazu gehabt, da ihre Sekretärinnenausbildung vorrangig war. Aber während der Ferien und an manchem Abend ging sie auf Bryans Angebot ein.
Auch an jenem schicksalhaften Tag hatte Helen dort gearbeitet. Clive übernahm es, die Galerie mit Getränken und kleinen Häppchen zu beliefern und bat Helen, ihm beim Servieren behilflich zu sein. Am Abend der Party war sie früher als sonst gekommen, um Clive bei den Vorbereitungen in der Galerie zu helfen. Sie hatte sich für den Anlass extra etwas Neues zum Anziehen gekauft – eine rote Bluse aus Polyester, die aussah, als sei sie aus Seide, und
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