ROMANA EXKLUSIV BAND 231
der Schlaf aus purer Erschöpfung.
Als sie am nächsten Morgen erwachte, war von Doyle keine Spur zu sehen. Für einen Moment blieb sie still liegen und sah sich um, die nebligen Bilder eines unruhigen Traumes abschüttelnd. Dann spannte sie ihre steifen Muskeln an und richtete sich mit einem lauten Stöhnen auf.
Genau in diesem Moment trat Doyle auf die Lichtung. Wie gebannt starrte sie auf die Gestalt, hinter deren Rücken das grüne Dickicht wieder zusammenschlug.
Außer Boxershorts trug er nichts. Wassertropfen glitzerten auf seinem breiten Brustkorb, der wie von Künstlerhand gemeißelt wirkte. Als ihr schließlich bewusst wurde, dass sie starrte, schlug sie hastig die Augen nieder. Doyle trug nicht mehr und nicht weniger als jeder andere Mann am Strand tragen würde – warum also schlug ihr das Herz bis zum Hals? Warum durchfuhr sie diese verräterische Wärme?
Sie drehte ihm den Rücken zu und zuckte zusammen, als er sein Kleiderbündel in ihrer Nähe zu Boden fallen ließ. „Da hinten gibt es einen Wasserfall. Das Wasser ist eiskalt, aber kristallklar. Wenn Sie sich waschen gehen wollen … Ich brühe in der Zeit Kaffee.“
„Eine gute Idee“, stotterte sie, den Blick immer noch krampfhaft abgewandt. Sie hörte sein hartes Lachen, als sie sich dem Rand der Lichtung näherte.
„Entschuldigen Sie, Gabrielle, ich hatte vergessen, wie sensibel Sie sind.“
Sie hielt mitten im Schritt inne. Hatte er etwa bemerkt, was sein Anblick mit ihr angestellt hatte?
Er kam zu ihr und lächelte auf sie herab. Er stand ihr so nahe, dass sie seinen frischen Duft wahrnehmen konnte. Seine Muskeln spielten bei der kleinsten Bewegung unter der samtigen Haut. Auf seiner Brust kringelten sich die nassen Haare, liefen am Saum der Boxershorts zu einem V zusammen und verschwanden. Sie hatte Schwierigkeiten zu atmen.
„Eine Frau wie Sie muss es ja als Zumutung empfinden, wenn ein halb nackter Mann vor ihr herummarschiert. Ich entschuldige mich für diesen Affront.“
Seine Bemerkung war keine Entschuldigung, sondern kam einer Beleidigung viel näher. Er wusste das ebenso wie Gabrielle, aber sie war unfähig, auch nur ein Wort über die Lippen zu bringen. Mit ausholenden Schritten stapfte sie durch das Unterholz in die Richtung, in die er gezeigt hatte. In Gedanken schalt sie sich eine Närrin, weil sie so auf ihn reagierte. Noch nie hatte sie so auf den Anblick eines Mannes reagiert, warum also ausgerechnet bei ihm? Sie hatte sich schon gefragt, ob etwas mit ihr nicht stimmte, weil kein Mann Verlangen in ihr erregen konnte. Während ihre Freundinnen sich ständig verliebten und mit ihren wechselnden Partnern schliefen, hatte Gabrielle sich in dieser Hinsicht immer zurückgehalten. Nicht weil sie etwas dagegen hatte, sondern einfach deshalb, weil kein Mann sie in dieser Beziehung interessierte. Und es hatte auch keinen Sinn, es abzustreiten – das, was sie da gerade bei Doyle empfunden hatte, war Verlangen gewesen. Pures, unverfälschtes und völlig unverständliches Verlangen!
Während sie noch grübelte, kam sie bei dem Wasserfall an. Sie konnte es kaum glauben, aber es war wie ein kleines Paradies. Die Wassertropfen liefen silbrig schimmernd über Felsen und sammelten sich in einem Becken, um das exotische Pflanzen wuchsen. Bunt gefiederte Vögel saßen in den Bäumen, stießen hinab und tauchten ihre Flügelspitzen in das kristallklare Wasser, um sich dann wieder auf einem Ast auszuruhen. Andächtig betrachtete Gabrielle das Schauspiel, berührt von seiner Schönheit. Sie hätte ewig so stehen können, doch dann fiel ihr wieder ein, dass Doyle dafür kaum Verständnis haben würde.
Also zog sie sich aus, tauchte in das Becken ein und schnappte unwillkürlich nach Luft, als das eiskalte Wasser ihre Haut berührte. Eine Gänsehaut überzog ihren ganzen Körper, doch dann gewöhnte sie sich allmählich an die Temperatur. Sie stellte sich unter das fallende Wasser und spielte mit den Tropfen, die sie wie ein feiner Schleier umgaben.
„Ich verderbe Ihnen nur ungern den Spaß, Gabrielle, aber wir haben nicht den ganzen Tag Zeit, damit Sie hier die Badenixe spielen.“
Beim Klang von Doyles Stimme ließ sie sich erschreckt bis ans Kinn ins Wasser gleiten. Da stand er, am Ufer auf der anderen Seite, die Hände in die Hüften gestützt, und schaute grimmig zu ihr hin. Gabrielle starrte ebenso verärgert zurück. Doch dann fiel ihr auf, dass sie keineswegs in der Position war, sich auf einen stummen Kampf einzulassen.
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