Romana Exklusiv Band 240
dass die meisten Leute ihre Arbeit nicht aufregend finden. Irgendwer muss ja auch die langweiligen Jobs übernehmen. Er liebte seine Münzsammlung und war Mitglied in verschiedenen Clubs. Außerdem schrieb er Artikel über Münzen.“ Das lässt Duncan wahrscheinlich noch fader erscheinen, dachte sie.
Zu ihrer Überraschung reagierte Cam ganz anders. „Das ist ein spannender Bereich. Ich weiß leider so gut wie nichts darüber, aber ich kann die Faszination dafür verstehen. Mein Großvater hat Briefmarken gesammelt, aber er hat mich nicht dazu überredet. Er war der Meinung, dass die Leidenschaft fürs Sammeln nicht erlernt werden kann, sondern einem natürlichen Instinkt entspringt. So, nun zurück zur Ehe auf Probe. In einem Dorf wie diesem würde uns das nur Kritik einbringen. In London und New York scheren sich die Leute nicht darum, was die anderen tun. Hier hingegen zählen andere Werte.“
Liz zweifelte nicht daran, dass er in Bezug auf die alten Frauen recht hatte. Die meisten von ihnen waren bei ihrer Hochzeit sicher noch Jungfrauen gewesen. Nach dem, was Alicia ihr erzählt hatte, standen die spanischen Mädchen ihren nordeuropäischen Altersgenossinnen allerdings in nichts nach, selbst bei der Gründung eines gemeinsamen Haushalts mit ihren Freunden.
Cam hatte die Hand zurückgezogen, trank einen Schluck Wein und beobachtete sie leicht amüsiert.
„Es ist noch gar nicht so lange her, als du mich gewarnt hast, nicht zu weit zu gehen. Und jetzt schlägst du Sex vor der Ehe vor, obwohl du dich noch nicht entschieden hast – oder hast du dich entschieden?“
Liz errötete. „Nein, habe ich nicht. Ich halte deinen Vorschlag immer noch für verrückt.“
„Ganz im Gegenteil. Er ist äußerst vernünftig. Aber wir werden nicht darüber streiten.“
Erst am Spätnachmittag kehrten sie in das Dorf zurück, nachdem sie noch einige Geschäfte in Gata besucht hatten. Bei dem verspäteten Mittagessen hatte Cam nicht mehr über persönliche Dinge gesprochen und Liz so oft zum Lachen gebracht, wie es ihr noch nie zuvor beim Essen passiert war.
Als er sie vor ihrem Haus absetzte, holte er ihre Vase aus dem Kofferraum und reichte sie ihr.
„Danke für das Mittagessen“, sagte sie.
„Danke für die Einkaufsberatung. Fährst du morgen nach Benissa?“
In Benissa fand jeden Samstag ein malerischer Straßenmarkt statt, auf dem Spanier, Auswanderer und Touristen einkauften.
„Schon möglich.“
„Warum fahren wir nicht zusammen?“
„Gut. Um wie viel Uhr?“, stimmte sie zu, obwohl sie eigentlich Abstand benötigte.
„Ist halb zehn okay?“
„Wunderbar.“
„Hasta mañana.“ Cam sprang wieder in seinen Wagen, um die Straße für einen heranbrausenden LKW frei zu machen.
Während sie die Blumen in ihrer neuen Vase arrangierte, überlegte Liz, dass es vielleicht besser gewesen wäre, einige Tage allein zu verbringen. So hätte sie mehr Zeit gehabt, in Ruhe über alles nachzudenken.
Abends, als sie eigentlich arbeiten wollte, konnte sie der Versuchung nicht widerstehen, sein Foto anzusehen, das sie im Computer gespeichert hatte. Mit einem Bildbearbeitungsprogramm vergrößerte sie es und druckte es auf ihrem kleinen Farbdrucker auf Fotopapier aus.
Später im Bett studierte sie alle Einzelheiten seines Gesichts – den Haaransatz, die hohe Stirn und die schönen Zähne. Sein linkes Auge blickte ernst, während das rechte verführerisch funkelte, was sie immer so verwirrte.
Sie holte sich einen Handspiegel und studierte ihre Augen. Sie schienen beide gleich zu sein. Vielleicht war der Unterschied nur auf einem Foto erkennbar, doch das einzige Porträt, das sie von sich hatte, war das kleine Bild in ihrem Ausweis.
Erschrocken erinnerte sie sich daran, dass sie als Teenager Duncans Bild ebenso betrachtet hatte. War sie seit damals wirklich nicht klüger geworden? Älter mit Sicherheit – aber nicht unbedingt schlauer.
Liz erinnerte sich an einen Satz aus der Schulzeit. Freundschaft ist ein unvoreingenommener Handel zwischen Gleichgesinnten – Liebe eine demütigende Verbindung zwischen Tyrannen und Sklaven.
Der sanfte Duncan war kein Tyrann gewesen. Auch wenn ihre Ehe eine Art Gefängnis gewesen war, aus dem es kein Entrinnen zu geben schien, bis sie auf einmal frei gewesen war – und krank vor Scham, denn den Preis ihrer Freiheit hatte er mit seinem Leben bezahlt.
Als sie auch um Mitternacht noch nicht schlafen konnte, ging sie zum ersten Mal seit der Nacht, als Cam Fiona mitgebracht
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