Romana Extra Band 5 (German Edition)
beschuldigt hatte, sich durch Tränen und Mitleid die Verlobung mit seinem Bruder erschlichen zu haben. Theos Stimme klang sanft – doch er blieb der Mann, der Kinder als „finanzielle Belastung“ bezeichnet hatte. Beschützend zog Abby ihren Sohn an sich, aber Jamie fing sofort an zu zappeln. Er wollte den Fremden in der Küche genauer in Augenschein nehmen. Schließlich riss er sich los und setzte sich auf den Boden.
„Du siehst aus wie Onkel Michael. Findest du nicht, Mummy?“
„Ich kann ein oder zwei Unterschiede erkennen“, antwortete Abby gepresst.
Theos Mundwinkel zuckten. Sie sah aus wie ein erzürnter Engel. Er durfte nicht vergessen, dass sie nach seiner logischen Analyse der Situation und seinen brillanten Schlussfolgerungen alles andere als engelsgleich war – ganz egal, welchen Eindruck ihr Gesicht auch vermitteln mochte.
„Wirklich?“, fragte Theo unschuldig. „Die meisten Menschen behaupten, wir sehen uns zum Verwechseln ähnlich. Bis auf den kleinen Größenunterschied.“
„Menschen behaupten auch, Ringelnattern sehen wie Blindschleichen aus. Bis auf den kleinen Giftunterschied.“
Theo tat sein Bestes, um nicht zu grinsen, und war begeistert, dass der Engel ihn noch wütender anstarrte.
Die Erwähnung von Schlangen hatte Jamies Laune gebessert; fröhlich erzählte er von seinem Zoobesuch und den vielen Schlangen dort. Oder handelte es sich doch um das Märchen vom magischen Teppich, das der Lehrer in der Schule vorgelesen hatte? Theo hatte überhaupt keine Ahnung, wohin die Geschichte führen sollte. Doch er war fasziniert von dem kindlichen Enthusiasmus und der Ähnlichkeit zwischen Mutter und Sohn.
Wer war der Vater? Wo war er? War er vielleicht immer noch mit Abby zusammen? Schlief sogar noch mit ihr? Der Gedanke bereitete ihm Übelkeit; rasch verdrängte er ihn.
Der Engel hingegen hielt Jamie nun einen Vortrag über die Notwendigkeit, sofort wieder zurück ins Bett zu marschieren. Amüsiert hörte Theo, wie die beiden nun in heftige Verhandlungen eintraten. Jamie forderte einen Schokoriegel, Abby bot ein Glas Milch an. Schließlich einigten sie sich auf ein Glas Saft.
Theo stand auf und setzte sich wieder an den Küchentisch. Er beobachtete, wie Abby ihren Sohn auf den Arm hob und mit der freien Hand das Saftglas ergriff. Ihre gesamte Aufmerksamkeit wurde von Jamie in Anspruch genommen.
Ob Michael sich davon hatte mitreißen lassen? fragte er sich. Er lauschte dem Geräusch sich entfernender Schritte auf der Treppe. Hatte sein Bruder dem kleinen Familienidyll nicht widerstehen können? Die Mutter hatte das Gesicht eines Engels, und doch verweigerte sie ihm ihren Körper. Irgendetwas an seiner Gleichung ergab keinen Sinn. Doch während er noch zu analysieren versuchte, was genau nicht an dem Bild stimmte, verselbstständigten sich seine Gedanken. Er erinnerte sich an Abbys Gesichtsausdruck, als sie ihren Sohn gehalten hatte, und an den mütterlichen Stolz, der dabei in ihren Augen geschimmert hatte. Frustriert schnalzte er mit der Zunge und wandte sich wieder dem aktuellen Problem zu. Warum hatte sie die Verlobung nicht gelöst? Und was versprach sie sich davon, ihn zu hintergehen?
Als Abby in die Küche zurückkam, hatte er zwei Tassen Kaffee gekocht.
„Du bist immer noch da“, sagte sie und blieb mit verschränkten Armen auf der Schwelle stehen.
„Du hast nicht wirklich erwartet, dass ich gegangen bin, oder?“, fragte er sanft.
Sie gab keine Antwort, während sie sich auf den Stuhl ihm gegenüber setzte. „Ich will nicht mehr mit dir streiten“, sagte sie noch einmal, stützte das Kinn auf eine Hand und sah ihn an.
„Nun, ich auch nicht.“
„Ich weiß.“ Sie lächelte kurz. „Du willst nur, dass ich aus dem Leben deines Bruders verschwinde, damit ich nicht meine gierigen kleinen Hände nach seinen Millionen ausstrecken kann.“
Theo errötete. Sie sprach nur seine Gedanken aus, aber die Art und Weise, wie sie es tat, ließ ihn als den Schuft und sie als das Opfer erscheinen. Sie sah wirklich müde aus. Statt also weiter auf seinen Forderungen zu beharren, entschied Theo, dass eine kleine Pause nicht schaden konnte. Jeder gute Geschäftsmann wusste, dass das Timing von immenser Wichtigkeit war. Er lehnte sich zurück, hielt die Kaffeetasse mit beiden Händen fest und musterte sie.
„Dein Sohn ist sehr nett.“
„Meinst du nicht eher eine nette ‚Belastung‘?“
„Dafür entschuldige ich mich. Ich habe das falsche Wort
Weitere Kostenlose Bücher