Romana Extra Band 5 (German Edition)
Kühlschrank heran und betrachtete die Kritzeleien genauer. Eine zeigte eine Unterwasserszene, eine andere eine Familie – die Frau mit langen hellen Haaren, der Mann mit einem breiten Grinsen. „Hast du die gemalt?“
Nervös befeuchtete Abby ihre Lippen. „Mein Sohn.“
„Du hast einen Sohn. Er ist nicht …“
„Nein. Er ist nicht Michaels Kind.“
Plötzlich war er wirklich neugierig. „Hast du etwas dagegen, wenn ich mich setze?“
„Es ist schon spät.“
„Hast du die Verlobung gelöst? Nein, natürlich hast du das nicht getan. Du trägst immer noch den Ring am Finger.“ Weder leugnete sie, noch entschuldigte sie sich. Sein Blick wurde härter.
„Ich werde nicht zulassen, dass du mich in meinem eigenen Haus beleidigst“, erklärte Abby ihm, die Arme vor der Brust verschränkt. Allein ihn zu sehen, dort auf ihrem Stuhl, in ihrer Küche sitzend, reichte aus, um gegen alle Vernunft und gegen jeden gesunden Menschenverstand all die unterdrückten Gefühle wieder lebendig werden zu lassen. Die Erinnerung überflutete sie, wie gut es sich angefühlt hatte, von ihm geküsst zu werden, in seinen Armen gehalten zu werden, von ihm gestreichelt und liebkost zu werden.
Kurz schloss sie die Augen, dann sah sie ihn an. „Ich will mich nicht mit dir streiten. Jamie hat einen leichten Schlaf, und die Wände sind dünn wie Papier.“ Das war ein guter Schachzug von mir, lobte sie sich. Jamie in das Gespräch zu bringen, würde ihr die Realität vor Augen halten, und die dummen Schwärmereien würden verschwinden.
„Aha. Jamie. Wie alt ist er?“
„Fünf. Warum interessiert dich das?“
„Ich bin neugierig. Warum hast du ihn nicht schon früher erwähnt? Meiner Mutter gegenüber? Meiner Familie? Du hattest doch alle möglichen Gelegenheiten dazu.“
„Der richtige Zeitpunkt war noch nicht …“
„Und wann wäre der richtige Zeitpunkt? Darauf zu warten, dass meine Mutter dich fragt, ob du vielleicht schon Kinder hast? Was ja eine ganz natürliche Frage ist, die jede zukünftige Schwiegermutter der Verlobten ihres Sohnes stellt.“
„Das ist nicht witzig!“ Vor Wut hatte sie ihre Stimme erhoben.
„Vielleicht hast du Michael dazu überredet, den Ersatzvater für deinen kleinen Jungen zu spielen. Aber die unerwarteten Neuigkeiten mit der Familie zu teilen war dir zu heikel, richtig? Du wolltest es langsam angehen, einen Schritt nach dem anderen, sodass man das Offensichtliche nicht sofort erkennt.“
„Und gleich wirst du mir mitteilen, was das Offensichtliche ist. Nicht dass ich es mir nicht schon denken könnte.“
„Endlich ergibt alles einen Sinn!“, donnerte Theo. Er schlug so heftig mit der Faust auf den Tisch, dass Abby zusammenzuckte. „Du schienst nicht die geldgierige Heiratsschwindlerin zu sein, für die ich dich zunächst gehalten habe. Aber damals hatte ich auch noch nicht alle Informationen. Wie viel verdienst du?“
„Das geht dich nichts an!“
„Genug für deinen eigenen Lebensunterhalt, vermute ich. Aber auch genug für ein Kind? Selbst wenn ich keine Kinder habe, weiß ich doch, dass sie eine große finanzielle Belastung darstellen. Bist du deshalb auf die Idee gekommen, dir Michael zu angeln? Hast du ihn mit einer rührseligen kleinen Geschichte geködert? Hast du auf die Tränendrüse gedrückt, sodass er Mitleid mit dir haben musste?“
„Kinder sind keine Belastung!“
„Wo ist der Vater des Jungen? Reichen seine Unterhaltszahlungen nicht aus?“
„Hör auf!“, schrie Abby ihn an. „Wie kannst du es wagen, in mein Haus zu kommen und mich zu beschimpfen?“
Sie starrte ihn an, bleich vor Zorn. Und es dauerte ein paar Sekunden, bis sie erkannte, dass er nicht länger sie ansah, sondern an ihr vorbei zur Tür blickte. Langsam wandte sie sich um. Auf der Schwelle stand ihr Sohn, seine Augen spiegelten Erstaunen und Angst. Noch niemals zuvor hatte Abby in Gegenwart ihres Sohnes geschrien; tatsächlich hatte sie heute zum ersten Mal seit langer Zeit die Stimme erhoben. Es war, als hätten die angestauten Emotionen einen albtraumhaften Weg gefunden, sich zu entladen. Sie zitterte, als sie sich neben ihren Sohn kniete.
„Hallo, mein kleiner Liebling. Was machst du denn hier?
Du solltest doch im Bett liegen. Morgen ist ein Schultag.“
„Ich habe Schreie gehört.“ Vorsichtig schaute er zu Theo hinüber. „Wer ist das?“
„Niemand.“
„Ich bin Theo, Michaels Bruder.“
Abby bemerkte, wie er aufstand und neben ihr in die Hocke ging; der Mann, der sie
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