Romana Extra Band 5 (German Edition)
KAPITEL
„Was soll das heißen, du hast Nein gesagt?“
Grant ignorierte den ungläubigen Ton seines Bruders Mike und trank noch einen großen Schluck Bier. Während er mit Mike telefonierte, sah Grant sich ein Baseballspiel an und ahnte schon, was als Nächstes kommen würde.
„Was für eine schreckliche Sünde hat dein potenzieller Kunde denn jetzt wieder begangen? Hat er die falsche Wandfarbe gewählt?“
„Er wollte alles modernisieren.“
„Oh, das erklärt natürlich alles. In deinen Augen gibt es ja nichts Schlimmeres als zeitgenössisches Design.“
„Entschuldige bitte, das Gebäude war in klassischem Art-déco-Stil gebaut. Weißt du überhaupt, wie selten das ist?“
„Kann schon sein. Aber ist es denn wirklich so schlimm, wenn jemand in einem Haus leben will, das ins einundzwanzigste Jahrhundert passt?“
„Dann sollten man eben in ein Gebäude ziehen, das vor zwanzig oder dreißig Jahren errichtet wurde. Deswegen muss man doch nicht gleich ein architektonisches Juwel aus dem letzten Jahrhundert zerstören!“
„Und das sagt ein Mann, der gerade seine Wohnung in Schutt und Asche legt.“
„Ich lege sie nicht in Schutt und Asche, im Gegenteil. Ich behebe nur eine Bausünde.“
„Schön und gut. Es ist ja nichts dagegen zu sagen, dass du Prinzipien hast. Doch du kannst unmöglich deine Kunden vergraulen. So wird dein Geschäft nie wachsen.“
Ach ja, Erfolg! Wie hatte Grant vergessen können, dass es den Templetons immer nur darum ging? Man musste der Beste sein, und zwar in allem. Grant kannte dieses Mantra seiner Familie in- und auswendig. Die ersten siebenundzwanzig Jahre seines Lebens hatte er auch danach gelebt und darin sogar seinen älteren Bruder übertroffen.
„Vielleicht will ich das gar nicht“, stellte er beiläufig fest.
„Und was ist mit dem Überleben? Hat dir schon einmal jemand erzählt, dass man in unserer Welt ein Einkommen haben muss? Oder hast du in Betriebswirtschaft geschlafen?“
„Betriebswirtschaft habe ich nicht studiert.“ Außerdem verfügte Grant über ein Einkommen aus seinen Investitionen. Damit konnte er eine lange Durststrecke überwinden, was seinem Bruder durchaus bekannt war. „Es werden bestimmt wieder neue Kunden kommen. So war das bisher schließlich immer.“
„Vielleicht. Doch darauf würde ich mich nicht verlassen. Irgendwann wird dir auch dein jungenhafter Charme nichts mehr nützen.“
„Warum nicht? Bisher bin ich damit gut durchgekommen.“
„Du musst langsam mal an deine Zukunft denken.“
Grant wusste, was sein Bruder damit andeuten wollte. Er sollte wieder in die Firma einsteigen, wo er hingehörte. Seine Familie war alles andere als begeistert gewesen, als er sich selbstständig gemacht hatte. Ihrer Meinung nach verschwendete er damit nur seine Zeit.
„Wir machen uns alle Sorgen um dich“, fuhr Mike fort. „Früher warst du immer so klar auf dein Ziel fokussiert.“
Ja, weil er einen Tunnelblick gehabt hatte. Warum verstanden sie nicht, dass er nie wieder wie früher sein konnte? Ihm wurde schon schlecht, wenn er nur an diese Zeit dachte. Schnell trank er noch einen Schluck, um den schlechten Geschmack loszuwerden.
„Das Ganze ist jetzt schon zwei Jahre her“, bemerkte Mike ruhig.
„Zwei Jahre und vier Monate“, korrigierte Grant ihn. Ja, und? Glaubte sein Bruder wirklich, dass er wieder der Mann sein würde, der er früher gewesen war, nur weil inzwischen Zeit vergangen war? Nate Silverman würde sich nie wieder normal bewegen können. Nur das zählte.
„Nate würde sich bestimmt auch wünschen, dass du …“
„Hör auf“, fuhr Grant seinen Bruder an. Sie wussten beide, was er sich wünschen würde. Es hatte nichts mit Grant oder seiner Zukunft zu tun.
Du warst sein bester Freund, Grant. Wieso hast du nicht erkannt, dass er in Gefahr war? Er hat dich doch angerufen, verdammt noch einmal!
Aber Grant war nicht ans Telefon gegangen.
„Können wir bitte das Thema wechseln?“ Er hatte schon genug unter seinen Selbstvorwürfen zu leiden.
„Wie du möchtest“, lenkte Mike ein. „Aber du kannst nicht ewig vor dieser Geschichte davonlaufen, weißt du?“
Dafür sorgte ja schon seine Familie! „Habe ich dir eigentlich schon von meiner neuen Nachbarin erzählt?“
„Die Frau, die dir Zettel unter der Tür durchschiebt?“
„Genau die.“
„Wie ist sie denn so?“
Grant lachte.
„Ein bisschen wie die weibliche Ausgabe von dir.“ Das stimmte wirklich. Sie war genau wie Mike der Ansicht, dass es
Weitere Kostenlose Bücher