Romana Extra Band 6
bezweifelte, dass ihre Cousine den nötigen Mut aufbringen würde.
Am anderen Ende der Lagune befand sich eine Felsplatte, die etwa einen Meter über das Wasser hinausragte. Früher hatten sie sie oft als Sprungbrett benutzt oder sich dort in die pralle Sonne gelegt. Jetzt schwamm Ava darauf zu.
Mel war inzwischen bei Dev angelangt und tummelte sich mit ihm, wie sie es als Kinder getan hatten. Sie bespritzten einander oder tauchten unter, um sich wie junge Delfine zu jagen. Karen hatte sich unter die Bäume zurückgezogen und beobachtete von dort vor allem Varo.
Ava ahnte, dass er zu ihr hinüberschwimmen würde, und sie hatte sich nicht getäuscht. Zielstrebig kam er auf sie zu. Die weißen Zähne leuchteten in seinem dunklen Gesicht, und glitzernde Tropfen perlten von seinem Haar.
„Ich wusste doch, dass du eine halbe Nixe bist“, neckte er sie. „Es fehlt nur der Kranz aus Kristallen und Smaragden in deinem Haar. Mehr brauchst du nicht … nicht einmal den Bikini.“ Mühelos schwang er sich neben ihr auf die Felsplatte. Kein Sportler hätte es besser gekonnt. „Du bist vorhin vor mir geflüchtet. Warum?“
Er ließ den Blick über ihr langes blondes Haar, das ihr weit über die Schultern fiel, über ihr Gesicht, den Hals, ihre Brüste, den festen Bauch und die schlanken Beine gleiten. Nichts schien ihm verborgen zu bleiben.
„Ava“, sagte er dann sanft.
„Ja?“, hauchte sie.
„Nichts. Ich wollte nur deinen Namen aussprechen.“
Die Art, wie er das feststellte, gefiel ihr. Bei ihm klang alles anders. Er hatte den Körper eines Athleten und war gleichmäßig gebräunt. Am Bund seiner Badehose zeigte sich kein heller Streifen, was bewies, dass er sich nackt gesonnt hatte. Im Gegensatz zu ihr kannte er keine Befangenheit.
„Ich merke, dass du mir ausweichst“, fuhr er nach einer Pause fort, und dabei erschien ein seltsamer Glanz in seinen Augen. Plötzlich beugte er sich vor und küsste die letzten, noch verbliebenen Tropfen von ihrer Schulter.
„Varo!“ Ava versuchte, ihm auszuweichen, aber er fragte nur:
„Fürchtest du, dass uns jemand beobachtet? Dev und seine schöne Mel sind ganz mit sich selbst beschäftigt … wie es sich gehört. Nur deine Cousine hat ihr Fernrohr auf uns gerichtet.“
„Ausgeschlossen!“
„Das war ein Scherz“, beruhigte er sie. „Sie würde es allerdings tun, wenn sie eins dabeihätte. Sie ist ungeheuer eifersüchtig auf dich.“
Ava sah ihn ungläubig an. „Das kann nicht sein.“
„Oh doch.“ Varo schien mehr über sie zu wissen als sie selbst. „Warum bist du in meiner Gegenwart so nervös, querida ? Es ist schließlich ganz normal, dass ein Mann und eine Frau zusammensitzen und sich unterhalten.“
„Es würde mir leichter fallen, wenn ich angezogen wäre“, gestand sie widerwillig.
„Ich möchte dich berühren.“ Sein Blick wurde eindringlicher, seine Stimme gefühlvoller. „Mehr noch … ich möchte mit dir schlafen, deinen unvergleichlichen Körper mit Küssen bedecken …“ Er nahm ihre Hand und drückte sie. „An Stellen, wo dich noch niemand geküsst hat …“
Es durchzuckte Ava, als wäre sie von einem Dolch getroffen worden. „Warum tun wir das?“, flüsterte sie, obwohl niemand in der Nähe war, der sie hören konnte.
„Das fragst du noch?“ Er umschloss ihre Finger fester, als wollte er sie nie mehr loslassen. „Ich bin dir verfallen.“
„Und ich habe dir gesagt, dass ich noch verheiratet bin“, erinnerte sie ihn, obwohl ihr das Sprechen schwerfiel.
„Aber bald wirst du frei sein. Das willst du doch, nicht wahr?“ Varo verschwieg, dass Karen sie mit Keats’ „Belle Dame sans Merci“ verglichen hatte.
„Ava mag wie die verkörperte Unschuld wirken, aber sie hat noch eine andere Seite … das schwöre ich Ihnen. Wir nennen es in der Familie das ‚Langdon-Syndrom‘. Alle Langdons haben einen harten Kern. Luke Selwyn ist ein äußerst sympathischer Mann. Er verehrt Ava … vergöttert sie nahezu. Peinlich zu sagen, dass sie ihm keine gute Ehefrau gewesen ist. Vielleicht am Anfang, aber später …“
Ava sah ihn mit großen Augen an. „Ich darf nicht länger hierbleiben.“
„Nein. Du könntest dir deine zarte Haut verbrennen.“ Er strich ihr sacht über Hals und Nacken. „Sie schimmert wie die Perlen des Meeres. So voller Schönheit“ , zitierte er leise, mit einschmeichelnder Stimme. „Ihr Haar war lang, ihr Gang war leicht, unruhig ihr Blick …“
„Wie schön, dass du Keats kennst! Er gehört zu
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