Romana Gold Band 11
den Kamin und begann, die Glassplitter im Raum zu entfernen. Als sich dabei eine Scherbe in ihre Hand bohrte, schrie sie vor Schmerz auf. Jamsey zog den Splitter heraus und leckte sich den Blutstropfen ab. Als sie an ihren Schreibtisch zurückging, war sie mehr denn je entschlossen, den Namen ihrer Familie reinzuwaschen.
Bei ihrer Ankunft war alles ganz anders gewesen. Zuerst die schreckliche Anreise aus London – die Fahrt auf der Autobahn war ihr endlos vorgekommen, und Verkehrsstaus und Baustellen hatten die Reise erschwert.
Doch nachdem sie Lancaster hinter sich gelassen hatte, wurde alles besser. Eine wunderschöne Landschaft hatte sich vor ihr ausgebreitet – es war, als wäre diese malerische Umgebung nur für sie gemacht. Sie seufzte und musste dann unwillkürlich bei dem Gedanken an ihre Ankunft in Dunkelly lächeln. Der kleine Ort lag idyllisch am Fuß der Berge, die ihn umgaben. So hatte sie sich Dunkelly vorgestellt – ein wunderschönes Dorf. Die Hauptstraße auf beiden Seiten von interessanten Geschäften und einigen einladenden Cafés gesäumt, die alle ihre hausgemachten Backwaren anpriesen. Der Duft frisch gemahlener Kaffeebohnen hing in der klaren Luft. In dem Buchladen an der Ecke waren zahlreiche reich bebilderte Bücher über die Highlands ausgestellt, und Jamsey nahm sich vor, mindestens eines davon zu kaufen. Am Ende der Hauptstraße führte eine Brücke über den tiefen Fluss, der den Ort teilte. Auf der einen Seite erstreckte sich dichter Wald, und auf der anderen stand eine große alte Kirche – sie ragte hoch über die saftigen grünen Wiesen auf, die sanft zum Flussufer abfielen.
Jamsey kaufte sich ein Käsebrötchen und einen knackigen Apfel zum Mittagessen. Die Septembersonne schien an diesem Tag besonders warm, und so schlenderte Jamsey durch Dunkelly und genoss die Atmosphäre des Ortes. Am Flussufer aß sie und verfütterte dann mit großem Vergnügen die restlichen Brotkrumen an die hungrigen Enten. Die Eindrücke an diesem Tag waren so lebendig, dass sie fast das Gefühl hatte, nach Hause gekommen zu sein.
Und dann sah sie ihn. Er stand bis zur Hüfte im rauschenden Wasser des Flusses. Erinnerungen an ihren Vater aus längst vergangenen Zeiten ließen Jamsey lächeln. Die Geschicklichkeit dieses Mannes faszinierte sie. Er hob den Arm mit der Angelrute hoch über den Kopf und warf mit einem gekonnten Schwung die Leine aus. Durch seine grüne Wachstuchjacke zeichnete sich deutlich sein muskulöser Körper ab, als er sich gegen die Strömung des Flusses stemmte. Mit einer schnellen Bewegung holte er die Leine ein, das Wasser spritzte hoch, und Jamsey schrie überrascht auf, als sie einen regenbogenfarbenen Lachs aus den Wellen auftauchen sah.
Der Kampf, der sich vor ihr abspielte, faszinierte sie – Mensch gegen die Natur. Dieser Mann war entschlossen zu gewinnen, das war deutlich an seinem konzentrierten Gesichtsausdruck zu sehen. Doch der Sieg wurde ihm nicht leicht gemacht, und einige Male dachte Jamsey, er hätte verloren. Doch schließlich hielt er triumphierend den Fisch in die Höhe, und Jamsey klatschte spontan in die Hände.
Er drehte sich um – und diesen Moment würde sie nie vergessen. Sein strahlendes Lächeln erfüllte sie trotz der Entfernung mit Wärme, und sie erwiderte es und winkte. Sie ließ den Blick über ihn und den Fluss schweifen, bis die Wärme und Erschöpfung von der Reise sie zwangen, die Augen zu schließen.
Jamsey fuhr sich leicht mit der Hand über das Gesicht, als wollte sie das Gefühl angenehmer Erregung verscheuchen, das sie plötzlich spürte. Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie einen Mann neben sich, der einen wilden ungezähmten Eindruck machte. Sein dichtes Haar wies die verschiedensten Schattierungen von Blond bis zu hellem Braun auf – wie eine Löwenmähne umgab es sein kantiges Gesicht. Irgendwie erinnerte er sie an eine Raubkatze – gefährlich und wild, glücklich in der freien Natur, wo er ungehindert umherstreifen konnte. Er lag jetzt neben ihr im Gras und beobachtete sie mit unverhohlenem Interesse.
„Sind Sie zu Besuch in Dunkelly?“, fragte er lächelnd und zeigte dabei eine Reihe ebenmäßiger weißer Zähne. Seine Stimme klang angenehm rau.
„Ja, ich suche eine Unterkunft. Ich werde einige Zeit hier bleiben, um meine Familiengeschichte zu erforschen“, erwiderte sie.
Daraufhin bot er ihr an, in dem Ferienhaus zu wohnen, solange sie wolle. Es schien die ideale Lösung zu sein. Sie redeten und
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