Romana Gold Band 15
„Unfall“, das Innere eines Paradors.
Hoffentlich würde niemand sie nach Einzelheiten über Albacete fragen, denn damit konnte sie nicht dienen. Genauso gut hätte sie zu Haus bleiben können. Aber dann hätte sie Bayne nicht kennengelernt. Den undurchschaubaren, lakonischen, melancholischen Bayne.
Melancholisch? Ein überraschender Gedanke, aber es stimmte. Den ganzen Tag schon hatte Jenna über den seltsamen Ausdruck in Baynes Augen gerätselt – es war nicht nur Spott, sondern eine leise Traurigkeit. Aber welchen Grund hatte dieser berühmte Mann, traurig zu sein?
Jenna hatte sich nicht zugedeckt, teils wegen der Hitze, teils weil sie das Scheuern der Laken an ihrem Bein fürchtete. Bayne und sein geheimnisvolles Verhalten gingen ihr unablässig im Kopf herum. Doch irgendwann forderte die Natur ihr Recht, und sie schlief ein.
Nach dem Sturz vorm Hotel war es nicht verwunderlich, dass Jenna wieder einen ihrer Albträume hatte. Sie begann, zu stöhnen und sich unruhig hin und her zu werfen, die Laken zu zerwühlen.
Im Traum versuchte sie verzweifelt, sich aus den zusammengepressten Metallmassen des Busses zu befreien, während das Fahrzeug den steilen Abhang hinunterkollerte. Das eiserne Gefängnis wurde enger und enger, ein unentrinnbarer Sarg, der ihren Brustkorb, ihre Gliedmaßen erdrückte. Niemand war da, ihr zu helfen, keine Feuerwehrleute mit Schneidewerkzeugen, niemand hörte ihr Schreien. Das kalte Metall nahm ihr die Luft zum Atmen …
Schweißgebadet, mit rasendem Puls fuhr Jenna aus dem grauenhaften Traum hoch. Sie erkannte das dunkle Hotelzimmer und atmete erleichtert aus. Langsam beruhigte sich ihr Herzschlag. Ihr Bein pochte vor Schmerz, im Fuß hatte sie einen Muskelkrampf. Stöhnend setzte sie sich auf und schwang die Beine über die Bettkante.
In ihrer Hilflosigkeit begann Jenna zu weinen. „Kann ich denn keine einzige Nacht durchschlafen?“, klagte sie leise vor sich hin. Doch das Jammern half ja nichts. Sie schaltete die Nachttischlampe an und machte sich humpelnd auf die Suche nach ihrer Handtasche, in der die Tabletten waren.
Mitten im Raum hielt sie inne. Sie achtete immer darauf, dass sie ihre Tasche bei sich hatte, denn Geld, Kreditkarten, Ausweise waren darin. Warum fand sie das verflixte Ding jetzt nicht? Im Restaurant hatte sie die Tasche noch gehabt …
Oh nein. Wie dumm von ihr, sie hatte die Tasche unten liegen gelassen.
Jenna sah zur Uhr, es war nach drei. Das Restaurant war längst geschlossen. Wo würde man die Tasche hinterlegt haben? Im Hotelsafe? Oder Bayne hatte sie an sich genommen. Das war das Wahrscheinlichste. Sie musste ihre Schmerztabletten haben, koste es, was es wolle.
Mit zusammengebissenen Zähnen schlüpfte Jenna in den weißen Gästebademantel und öffnete leise die Zimmertür. Auf dem Flur war alles still. Vorsichtig schlich sie zu Baynes Tür, klopfte sacht und lauschte. Kein Laut war zu hören. Wenn sie lauter klopfte, würden die anderen Gäste aufwachen.
Da fiel ihr der Balkon ein. Sie konnte über die niedrige Trennmauer klettern. Bayne hatte sicher in der Hitze die Tür offen gelassen.
Mühsam humpelte Jenna zurück in ihr Zimmer und auf den Balkon hinaus. Sie spähte über die Trennwand zu Baynes Zimmer hinüber. Ja, seine Tür war offen, die Gardine blähte sich leicht im Luftzug. Es war klüger, erst in seinem Zimmer nachzusehen, bevor sie das Hotelpersonal weckte. Vielleicht lag die Tasche offen da, und sie würde Bayne nicht einmal stören müssen.
Es fiel ihr nicht schwer, die Trennwand zu überwinden. Jenna biss sich auf die Unterlippe und versuchte, kein Geräusch zu machen. Dann war sie an der Tür. Als ihre Augen sich auf die Dunkelheit im Zimmer eingestellt hatten, trat sie ein und sah sich um.
Sie erkannte Baynes Gestalt auf dem Bett und einen dunklen Gegenstand auf dem Nachttisch. Der Größe und Form nach konnte es die Handtasche sein. Ganz vorsichtig näherte sich Jenna. Jetzt nur nicht irgendwo anstoßen oder gar stolpern … Sie streckte die Hand aus. Da fühlte sie sich am Handgelenk gepackt, und im Bruchteil einer Sekunde lag sie auf Baynes Bett.
Seine große, warme Hand erstickte ihren Aufschrei. „Ich habe mich schon gefragt, wie lange es dauern würde“, sagte Bayne leise. Jenna spürte seinen Atem an der Wange, und ehe sie etwas sagen oder tun konnte, war sein Mund auf ihrem.
Im ersten Schock war Jenna bewegungsunfähig. Dann versuchte sie schwach, sich zu wehren. Doch Baynes Lippen waren warm und sanft, in
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