Romeo für immer, Band 02
eine weitere Nacht für uns hätten, ein paar zusätzliche Stunden wenigstens, dann erinnert sie sich vielleicht … «
»Sie wird sich an dich erinnern. Und auch du wirst dich an sie erinnern, wenn du es wirklich willst«, sagt sie. »Julia hatte die Wahl und hat sich entschieden, bestimmte Dinge zu vergessen. Auch du wirst die Wahl haben. Wir sind keineswegs grausam, Romeo. Im Gegensatz zu deinen früheren Herren kümmern wir uns um unsere Bekehrten. Wir würden sie nicht in den Nebel des Vergessens schicken, wenn wir die Macht hätten, sie auf der Erde zu halten. Wir werden dir weder deine Erinnerungen nehmen noch deine Seele rauben. Du wirst dein Schicksal selbst bestimmen können, wie jede Seele, die einem höheren Zweck dient.«
Vor einigen Tagen hätte ich bei dem Gedanken noch laut aufgelacht. Aber nun möchte ich sehr gerne einem höheren Zweck dienen. Nur eben nicht dem, den Julias Amme im Sinn hat …
»Das ist gut zu wissen«, antworte ich und täusche Dankbarkeit vor, obwohl ich nicht vorhabe, im Nebel des Vergessens zu verschwinden. Ich werde hier bei Ariel bleiben. »Deshalb wären mir ein paar zusätzliche Erinnerungen an sie nur umso kostbarer.«
»Na schön!« Sie streckt die Hände aus. Ein Licht erstrahlt zwischen uns. Das Feuer ihrer Magie erfasst mich erneut und brennt sich unter meine Haut, doch diesmal weniger schmerzhaft. Als es vorbei ist, fühle ich mich erfrischt wie nach einem erholsamen Schlaf, obwohl ich doch stundenlang wach gelegen und an die Decke gestarrt habe, um mir jede Einzelheit meines Zusammenseins mit Ariel einzuprägen. »Durch die Kraft, die ich dir soeben verliehen habe, wirst du bis morgen um Mitternacht in diesem Körper bleiben können. Keine Sekunde länger. Wenn du bis dahin nicht deinen Schwur geleistet hast, wirst du deinem Seelengeist ausgeliefert und kannst den Rest deiner Tage in einem verrottenden Körper verbringen.«
»Um Mitternacht also, wie bei Aschenputtel«, sage ich.
»Du erinnerst mich tatsächlich irgendwie an Aschenputtel«, antwortet sie. »Ich hoffe, wir haben uns verstanden?«
»Ja.« Trotz allem muss ich über ihren trockenen Humor grinsen.
»Gut.« Sie lächelt.
Ich nicke und verspreche ihr, zu unserem Treffen morgen Nacht pünktlich um halb zwölf im Wald hinter der Schule zu erscheinen. Doch ich werde versuchen, ihr zu entkommen, auch wenn ich bis vor Kurzem noch alles getan hätte, um vor ihr Gnade zu finden.
Die Amme verschwindet in der Dunkelheit. Ich drehe mich um und lege mich wieder zu Ariel ins Bett. Sie strahlt eine angenehme Wärme aus, und ihr wohltuender Duft lässt mich meine Qualen vergessen. Den Duft ihrer Haut werde ich niemals vergessen, selbst dann nicht, wenn der Gestank meiner Verwesung meine Nase verätzen sollte.
Ich liege neben ihr auf dem Rücken, und sie schiebt sich im Schlaf näher an mich heran. Ihr Kopf findet meine Schulter, ihre Hand streichelt sanft meine Brust und bleibt über meinem Herzen liegen. Ihre Berührung ist voller Liebe, auch wenn Ariel weit weg im Land der Träume ist. Ich küsse sie auf den Scheitel und hoffe, dass es ein schöner Traum ist.
Dann starre ich an die Decke und grüble über meinem Plan, auch wenn es mir das Herz bricht.
Drittes Zwischenspiel
VERONA, ITALIEN, 1304
Julia
M eine Amme will Romeo zum Botschafter machen«, wiederhole ich. Ich weiß, dass mein Schicksal davon abhängt, ob der Mönch mir diese Lüge glaubt. Dabei bin ich mir nicht einmal sicher, ob es tatsächlich eine Lüg e ist. Denn ich habe in meinen Träumen etwas gesehen. Ich habe Romeo gesehen, er war von goldenem Licht umgeben, durchtränkt von der Magie der Botschafterin. »Sie will ihn den Söldnern abwerben.«
»Unmöglich«, antwortet er. Aber ich höre, dass er stehen bleibt.
Ich zittere wie Espenlaub. Wenn er geht, dann werde ich in diesem Loch sterben. Ich werde in einigen Tagen qualvoll verdurstet sein.
»Woher weißt du über die Botschafter Bescheid?«
»Spielt das eine Rolle? Ich weiß es eben. Ich hatte eine Vision.«
»Nur die Hohen Botschafter haben echte Zukunftsvisionen«, sagt er. »Und du bist ganz sicher keine von den Hohen, mein Mädchen. Du magst mit Magie in Berührung gekommen sein, aber … «
»Meine Amme kann mich in meinen Träumen erreichen.« Ich könnte schwören, dass ich die Stimme der Amme im Schlaf gehört habe, durch das Grauen meiner Albträume hindurch hat sie mich erreicht. »Sie hat mir gezeigt, was geschehen wird.«
»Und warum sollte sie das tun?«
»Um
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