Romeo für immer, Band 02
verklingen in der Cafeteria. Logan schlüpft durch den Vorhang. Mrs Mullens hat recht. Es ist Zeit. Ich muss da raus und mich der Musik stellen. Und dem Mädchen. Und dem Bösen, das den Kampf um ihre Seele schon fast gewonnen hat.
Ich gehe einen Schritt vorwärts, aber Gemma lässt meinen Arm nicht los. »Nein!«, ruft sie. »Das darfst du nicht. Ich glaube, sie will dir etwas antun, wenn du auf der Bühne stehst. Dich verletzen oder sogar umbringen. Ich weiß es nicht.«
»Es ist schon in Ordnung.« Die Musik läuft schon. »Ich muss gehen.«
Gemma stöhnt frustriert auf. »Bitte! Geh nicht! Ich war diejenige, die Ariel gesagt hat, dass sie sich an dir rächen soll. Wenn sie dir jetzt etwas antut, dann … «
»Mach dir keine Sorgen, sie liebt dich, Gemma. Und keine Angst, ich liebe sie wirklich.« Ich drehe mich noch einmal zu Gemma um und umarme sie. Sie verstummt verblüfft.
»Geh jetzt, Gemma«, befehle ich und gehe auf den Vorhang zu. Diesmal lässt sie mich. »Geh mit Mike nach Washington und halte dich von Ariel fern.«
»Ich hatte keine Ahnung, dass sie tatsächlich wahnsinnig ist«, flüstert Gemma.
»Sie ist nicht wahnsinnig.« Bevor Gemma antworten kann, schalte ich das Mikrofon ein und betrete gerade noch rechtzeitig die Bühne, um die ersten Töne von Dylans Lied zu singen. Ich schaue zu der Stelle, wo Ariel stehen sollte. Es überrascht mich nicht, dass sie verschwunden ist.
Ich bin am Boden zerstört, aber überrascht bin ich nicht.
Ariel ist nicht wahnsinnig. Sie tut, was sie tun muss, und danach wird sie zu den Bösen gehören. Die Söldner haben sie bereits in ihren Fängen. Ariels Lügengeschichten waren genial. So perfekt, dass sogar ich, mit meiner jahrhundertelangen Erfahrung in der Kunst des Lügens, sie nicht durchschaut habe. Wie sie jede ihrer Lügen mit einem Hauch Wahrheit ummantelt hat, war … bemerkenswert. Und sie hat nicht einmal mit der Wimper gezuckt, als ich ihr gesagt habe, dass die Söldner mich nicht vor Publikum angreifen würden. Dabei wusste sie, dass ich an meinem Arm den Tod zum Schulball führen würde.
Mag sein, dass sie vorhat, mich jetzt genauso zu töten, wie sie es mir gebeichtet hat. Vielleicht wartet sie aber auch damit, bis wir beide auf dem Weg zur Bushaltestelle sind. Sie hat mich jedenfalls sehr geschickt hinters Licht geführt. So wie ich Hunderte von hübschen, jungen Mädchen hinters Licht geführt habe. Genau wie ich haben auch sie geglaubt, dass Liebe alles überwinden kann. Ariel hat mich zum Narren gehalten wie einen verliebten Idioten.
Aber wie käme ich dazu, sie dafür zu verurteilen? Ich habe oft genug dasselbe getan. Ich war das, wozu sie nun werden wird. Ich frage mich, ob Ariel dort unten irgendwo steht und die Aufregung nutzt, um mich zu töten. Denn jetzt wird das Video gezeigt, und Gelächter brandet auf. Doch ich kann sie nicht hassen. Die Wahrheit ist, ich liebe sie immer noch, auch wenn es hoffnungslos ist.
Es war nicht alles gelogen. Für einen Tag oder auch zwei hat sie mich wirklich geliebt. Und ich sie auch. Sie hat mich verändert, ich werde nie wieder derselbe sein. Ich atme durch und singe weiter. So ausdrucksvoll, dass die Leute, die direkt vor der Bühne stehen, aufhören zu lachen. »’Til I’m buried, buried in my grave.«
Begraben. Wenn das keine ausgleichende Gerechtigkeit ist. Es liegt sogar eine gewisse Poesie darin. Ariel ist eine Romantikerin mit viel Gefühl fürs Theatralische und wird ihrem Werk einen Rahmen von tragischer Schönheit verleihen wollen.
So wie ich einst.
»Oh bring it to me.« Ich öffne die Arme, als eine Geste der Hingabe, ich biete mich ihr als Opfer an. »Bring your sweet lovin’ … «
Ein Schuss lässt die Musik abrupt verstummen. Schreie ertönen. Ein zweiter Schuss zerschmettert die Discokugel. Panik bricht aus, Glassplitter regnen auf die Tanzfläche. Die Schüler bedecken ihre Köpfe und ergreifen die Flucht. Lehrer und Aufsichtspersonen drängen zu den Türen, Paare greifen sich bei den Händen und rennen los. »Lauf!«, schreit Mrs Mullens mir zu. Aber ich bleibe, wo ich bin.
Sie hat es getan. Es ist vorbei. Jetzt ergeht es mir so, wie es damals Julia ergangen ist. Doch diesmal werde ich derjenige sein, der tot am Boden liegt, getötet von dem Menschen, den ich liebe. Noch hat Ariel mich nicht getroffen, aber das ist nur eine Frage der Zeit. Dennoch kann ich nicht weglaufen und mich verstecken.
Ich lasse das Mikrofon fallen. Der Knall, mit dem es zu Boden fällt, hallt mit
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