Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Romeo für immer, Band 02

Romeo für immer, Band 02

Titel: Romeo für immer, Band 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jay
Vom Netzwerk:
jetzt war ich niemals zuvor, auch nicht als Botschafterin. Noch nicht einmal, als ich im Nebel des Vergessens schwebte.
    Etwas in mir zerbricht. Ein tiefer Riss spaltet mein Innerstes und lässt die Albträume hinein. Die verrottenden, bösartigen Romeos kommen zurück. Sie werden von jedem denkbaren Grauen der Menschheitsgeschichte begleitet. Sie kriechen auf ihren blutigen Klauen und ziehen Leichname, aufgedunsen von Bösartigkeit, über Felder von Tod und Verwesung. Ich renne davon, meine nackten Füße machen schmatzende Geräusche im fauligen Sumpf, das Wehgeschrei der lebenden Toten wird zu tosendem Gebrüll, das mich durchdringt. In mir ist nichts als nackte, pure Angst.
    Ein sanftes Flüstern schwebt durch die Luft. Es segelt vom blutenden Himmel herab und streichelt federleicht über meine Haut. Es ist die Stimme der Amme. Sie versucht, meine Angst zu vertreiben, aber ich bin viel zu weit entfernt. Verloren und stumpfsinnig, ohne jeden Verstand. Ich verstehe den Sinn ihrerWorte nicht mehr. Weder ihr Versprechen, mich abzuholen,noch ihre Erklärung, die Zeit sei ein Kreis und keine geradeLinie. Auch ihre Beteuerung, dass mein Schicksal mit dem von Romeo eng verwoben sei, dass ich ihm aber entkommen kann und schließlich Erlösung finden werde, verstehe ich nicht. Ich erfasse den Sinn ihrer Worte nicht mehr. Für mich sind sie nicht mehr als Geräusche, laute Trommelwirbel in meinem Kopf, deren unregelmäßige Rhythmen mich nur verwirren.
    Ich renne so lange durch meine Träume, bis ich vor Erschöpfung stolpere und stürze. Dann falle ich. Ich falle und falle, endlos durch tiefschwarzen, unendlichen Raum, bis ich schließlich mit einem Aufprall in meinem Körper lande.
    In meinem eigenen Körper, nicht im geliehenen Körper einer anderen, auch nicht im Körper von Ariel Dragland. Es ist mein Körper . Ich bin durstig und zittere, denn ich schwitze das Gift aus. Ich fühle mich so schwach wie noch nie zuvor in meinem Leben, weder vor noch nach dem Tod. Aber ich bin wieder ich. Und … ich fühle mich lebendig.
    Ich versuche, meine Augen zu öffnen. Es fällt mir schwer, meine Augenlider sind verklebt. Immer noch bin ich von Dunkelheit umgeben, aber ich weiß, dass es nicht die bedrohliche Dunkelheit meiner Albträume ist. Diesmal ist es die Wirklichkeit. Ich liege tatsächlich in der Gruft. Wie ist das möglich? Wie nur ? Bin ich in der Zeit zurückgereist? Und wenn ja, wie weit bin ich zurückgereist? Wie lange liege ich schon hier? Wie viel Zeit bleibt mir, bis Romeo und Bruder Lorenzo herkommen, um mich zu holen, so wie beim ersten Mal, als ich hier begraben lag?
    Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich bleibt mir keine Zeit.
    Ich muss hier raus.
    Mit geschwollener, schmerzender Zunge fahre ich über meine ausgetrockneten Lippen und atme tief ein, bereite mich auf einen Schrei vor. Da höre ich etwas! Eine Stimme! Aus der Ferne ruft jemand meinen Namen. Die Gruft der Capulets ist groß. Zwanzig Treppenstufen führen unter die Erde, hinab in einen Raum, in dem Generationen von Capulets in riesigen steinernen Betten nebeneinander ihre letzte Ruhe gefunden haben. Trotzdem verstehe ich die Worte, die der Mann spricht. Ich kenne diese Stimme.
    »Julia! Bist du hier?« Er bemüht sich um einen freundlichen Tonfall. Aber ich lasse mich nicht täuschen!
    Es ist der Mönch, der Söldner, der Bruder Lorenzos Körper bewohnt. Er kommt, um mich zu holen, und ich bin so schrecklich schwach. Ich bin keine Botschafterin mehr. Selbst wenn ich eine wäre, besäße ich nicht die Kraft, mich gegen einen der Hohen zu wehren und ihn zu besiegen.
    Er ist einer der stärksten und erfahrensten Söldner. Und er wird mich töten. Jetzt.
    Ich schaudere und beiße mir auf die Lippen. Meine Zunge wehrt sich gegen das Würgen, das mir in die Kehle steigt, weil mein Körper sich übergeben will, es aber nicht kann.
    Der Mönch hat sicher Schlimmeres im Sinn, als mich zu töten. Sehr viel Schlimmeres. Auch Romeo hat das gewusst und so viel Mitleid gehabt, dass er mir einen schnellen Tod bereiten wollte. Aber es ist ihm nicht gelungen, und so blieb mir auch diese kleine Gnade versagt. Der Mönch wird meinen langsamen Tod durch Folter herbeiführen und meine Qualen auskosten wollen. Ich kann nichts tun, als hier zu liegen und abzuwarten.
    Hilflos abzuwarten. Hilflos!
    Zorn, blinder, rasender Zorn flammt in mir auf. Ich schließe die Augen und ich versinke dankbar in der Welt meiner Albträume. So ist es besser. Es ist immer noch besser, zu

Weitere Kostenlose Bücher