Romeo für immer, Band 02
Großvaters aus dem Schrank zu holen. Dylan hat so eine gewisse draufgängerische Ausstrahlung. Andererseits mag ich genau das an ihm.
Und wenn ich es nicht nur mag … ?
Nein! Ich habe erst gestern Abend von der Wette erfahren. Ich wäre schön blöd, wenn ich ihm vertrauen würde. Seine Worte mögen überzeugend klingen, aber es schwingt auch immer ein beunruhigender Unterton mit. Das liegt an der Art, wie er es sagt. Ich glaube zwar nicht, dass er lügt, aber ich denke auch nicht, dass er die ganze Wahrheit sagt. Ich möchte herausfinden, was er vor mir verbirgt, wenn er so scheinbar offen über Schmerzliches spricht. Seine Ehrlichkeit heute war qualvoll für ihn, aber selbst die Geschichte vom Tod seines Bruders war nicht die ganze Wahrheit.
Andererseits kann ich keine Falschheit in seinen Augen entdecken, wenn er mich ansieht. Er ist gerne mit mir zusammen. Immerhin so gerne, dass er jetzt vor meiner Mutter steht und die Sache mit ihr ausdiskutiert, obwohl es einfacher wäre, sich umzudrehen und zu verschwinden.
»Das ist ein sehr gewagtes Versprechen, Dylan«, antwortet meine Mutter schließlich. »Besonders für einen Siebzehnjährigen.«
»Ich bin achtzehn«, sagt Dylan mit einem neckischen Unterton. »Im Dezember geboren, ein Weihnachtsgeschenk sozusagen.«
Mom verzieht keine Miene. »Ich glaube, du verstehst ganz gut, was ich sagen möchte. Manchmal verletzt man andere, ohne es zu wollen, gerade wenn man jung ist.«
»Ich weiß. Aber ich bleibe bei dem, was ich gesagt habe.«
Sie sieht ihn nachdenklich an. »Na gut«, sagt sie schließlich und nickt kurz. »Aber es gibt ein paar Regeln, an die ihr euch zu halten habt.« Sie dreht sich zu mir um. »Kein Besuch, wenn du krank und alleine zu Hause bist. Verstanden?«
Ich nicke. »Ja, Mom. Bitte entschuldige. Ich habe nicht nachgedacht.«
»Von nun an bist du am Wochenende spätestens um Mitternacht zu Hause und wochentags um elf«, sagt sie. »Ich habe mit meinen Kolleginnen gesprochen. Ihre Töchter müssen auch um diese Zeit zu Hause sein. Also erzähl mir nicht, das wäre zu früh.«
Wieder nicke ich. Ich bin so erleichtert darüber, dass sie mir nicht einfach verbietet, Dylan wiederzusehen, dass mir die Uhrzeiten völlig egal sind.
»Und sollte sich die Frage irgendwann einmal stellen, dann erwarte ich von euch beiden, dass ihr verhütet. Und zwar mit Pille und Kondom, um euch vor Krankheiten zu schützen.«
Oh Mann!
Ich schließe die Augen. Am liebsten würde ich vor Scham im Boden versinken. Das ist unfassbar peinlich, schlimmer als alles andere. Und noch dazu im Beisein von Dylan! Wie kann sie nur?
»Ja, Mrs Dragland«, murmelt Dylan mit hochrotem Kopf und starrt auf seine Füße. Na großartig! Jetzt fühlt er sich gedemütigt. Ich schieße Mom einen warnenden Blick zu.
»Tut mir leid.« Ihr gleichgültiges Achselzucken beweist, dass es ihr keineswegs leid tut. »Ich bin nun mal Krankenschwester und finde es wichtig, die Dinge beim Namen zu nennen. Ganz besonders, wenn sie eurer ganzes Leben beeinträchtigen können. Außerdem habe ich schon zu viele schwangere Mädchen gesehen, die noch zur Schule gehen.« Sie hängt ihre Tasche an die Garderobe und streift sich die Schuhe von den Füßen. Offenbar hat der Verlauf unserer Unterhaltung eine entspannende Wirkung auf sie. Es scheint ihr zu gefallen, dass wir uns vor Scham winden. »Die Mädchen stehen meist ziemlich alleine da, und die Jungs, die vorher hoch und heilig versprochen hatten, sie niemals zu verletzen, sind längst über alle Berge.«
Dylan schaut sie an. »Ich verstehe.«
»Das bezweifle ich.« Mom stützt die Hände in die Hüften. Sie klingt nicht verärgert, eher sachlich, was die Sache für Dylan und mich aber nicht besser macht. »Bei Ariels Geburt war ich neunzehn. Ich möchte, dass meine Tochter mehr Zeit hat herauszufinden, was sie will und wer sie ist, bevor sie ein Kind großziehen muss.«
»Das möchte ich auch«, antwortet Dylan sanft und beinahe … wehmütig. Er hat den gleichen traurigen Gesichtsausdruck wie vorhin, als er von seinem Bruder sprach. Ich frage mich, ob er gerade an ihn denkt. Vielleicht denkt er aber auch an seine Mutter, die – wenn man den Gerüchten glauben darf – Dylan und seinen Vater verlassen hat, kurz bevor die beiden hierhergezogen sind. So oder so, ich wünschte, ich könnte jetzt neben ihm stehen und seine Hand halten.
Dann tu es doch. Er ist doch vorhin auch für dich eingetreten, aber du stehst nur tatenlos herum und guckst
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