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Romeo für immer, Band 02

Romeo für immer, Band 02

Titel: Romeo für immer, Band 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jay
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Dann setze ich mich vor den Computer und tippe Benjamin Luna ein. Die dreißig Sekunden, bis ich ein Suchergebnis erhalte, ziehen sich endlos.
    Es gibt nichts Erwähnenswertes über ihn. Keine Facebookseite, keinen Blog, keinen schmutzigen Tratsch. Sein Name findet sich lediglich im Zusammenhang mit einem Fußballturnier und im Nachruf seiner Mutter. Ich filtere die Suchergebnisse, weil ich mir Fotos von ihm anschauen möchte, und werde mit schlechten Bildern aus alten Schülerzeitungen belohnt. In den Artikeln werden hauptsächlich seine sportlichen Leistungen erwähnt. Auf den Fotos sieht Benvolio genauso aus, wie ich ihn in Erinnerung habe.
    Über den echten Benvolio hätte es bestimmt sehr viel Interessanteres zu berichten gegeben. »Echt schwach«, sage ich zu dem Jungen im Computer. Dann tippe ich Romeo und Julia ein und drücke die Entertaste.
    Anscheinend muss ich mir wegen Benjamin keine Sorgen machen. Aber wieso sieht er aus wie Benvolio? Und, was noch viel wichtiger ist …
    »Nein!« Meine Stimme schallt laut durch das stille Wohnzimmer. Ich scrolle durch die ersten drei Seiten der Suchergebnisse. Nichts. Keine Einträge. Ich füge im Suchfeld Verona hinzu und die Jahreszahl 1304 und versuche es erneut. Wieder nichts.
    Mit klopfendem Herzen und zitternden Fingern schreibe ich Julia Capulet und werde mit einem Eintrag auf einer Website über Ahnenforschung belohnt: Julia Capulet, 1290–1304, bestattet in Verona, Italien . Sonst nichts. Keine Erklärung, warum sie im zarten Alter von vierzehn starb, keine Erwähnung der tragischen Ereignisse, die zu ihrem Tod führten. Ich versuche es mit Romeo Montague und Verona, Italien und warte eine halbe Ewigkeit. Ich zwinge mich, ruhig zu bleiben, und scrolle durch die Suchergebnisse. Dann, am Ende der fünften Seite, werde ich endlich für meine Ausdauer belohnt.
    »Da«, flüstere ich und klicke auf den Link. Doch meine Erleichterung verflüchtigt sich schnell. Die Website ist in Italienisch verfasst, nicht etwa in Altitalienisch, das ich beherrsche, sondern in modernem Italienisch. Doch ich kann immerhin so viel entziffern, um zu verstehen, dass es nichts Gutes bedeutet.
    Es ist eine Art Reiseführer durch Veronas historische Stätten, einschließlich der Kirche und des Friedhofs, wo Julia begraben liegt. Mein Name wird einmal erwähnt, in einer Bildunterschrift neben der Abbildung einer Kirche.
    1304 ging die ursprüngliche Kirche in Flammen auf. Zwar konnte das Feuer gelöscht werden, bevor es auf den Friedhof überspringen konnte, doch wurde das Kirchenschiff durch den Brand größtenteils zerstört. 1306 wurde die Kirche wieder aufgebaut. Dies war der großzügigen Spende von Benvolio Montague zu verdanken, einem wohlhabenden Gutsbesitzer, dessen Cousin Romeo Montague zusammen mit einem Geistlichen im Feuer ums Leben kam. Dem edlen Spender wurde am Rande des Friedhofs ein Denkmal gesetzt. Dort steht es noch heute und wacht über die historischen Grabstätten. Wenn man die Kirche verlässt und sich auf dem alten Friedhof links hält, stößt man nach ungefähr fünfzig Metern auf dieses Denkmal und die Überreste der bedeutendsten historischen Grabmäler …
    Ich kann nicht weiterlesen. Ich schließe das Browserfenster und schalte den Computer aus. Als ob ich dadurch auch das Gelesene ausschalten könnte.
    Es muss eine fiktive Geschichte sein, eine Erzählung oder ein Theaterstück, ähnlich dem von Shakespeare. Denn es stimmt nicht, dass ich bei einem Brand ums Leben kam. Genauso wenig wie ich auf dem Boden von Julias Grabstätte starb. Ich bin nicht gestorben. Ich bin hier, im Körper eines Jungen. Das ist Beweis genug, dass diese Geschichte unwahr ist. Zumindest geht sie von falschen Voraussetzungen aus.
    Man fand damals nur eine leere Hülle, meine Seele war längst weitergewandert. Das würde auch erklären, wieso die Leiche des Franziskanermönchs ebenfalls dort lag. Sein Körper war nicht mehr von Nutzen. Also hatte der Söldner ihn verlassen und sich einen neuen gesucht.
    Aber wieso hat man unsere Leichen in der Kirche gefunden? Hat der Söldner meinen Körper dorthin gebracht, nachdem sich unsere Wege auf dem Hügel getrennt hatten? Während ich in einem fremden Körper durch die Landschaft stolperte, wochenlang Tag und Nacht unterwegs war und versuchte, meinem unentrinnbaren Gefängnis zu entkommen, zu sterben, obwohl ich längst tot war? Während ich versuchte, mich an den Rand der Erschöpfung zu bringen, und langsam begriff, dass mir auch Schlaf

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