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Romeo für immer, Band 02

Romeo für immer, Band 02

Titel: Romeo für immer, Band 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jay
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auf ewig verwehrt bleiben würde …
    »Egal!« Ich schiebe entschlossen den Stuhl zurück, heftiger als nötig. »Es ändert nichts.«
    Und ob es das tut.
    Die Geschichte von Romeo und Julia ist verschwunden. Ein Eintrag in einem Online-Reiseführer ist alles, was von mir geblieben ist. Der Söldner, der ich einmal war, hätte das niemals zugelassen. Wenn Shakespeare nicht interessiert gewesen wäre, dann hätte ich sicherlich einen anderen Dichter gefunden, der meine Tragödie verewigt hätte. Ich brauchte meinen Ruhm und fand ein perverses Vergnügen daran, dass Generationen junger Menschen gezwungen wurden, meine Lebensgeschichte zu lesen. Mein einziger Trost lag in dem Wissen, dass jeder Mensch der westlichen Hemisphäre meine Geschichte kannte – wenn auch in einer etwas abgeänderten Form. Auf diese Weise erreichte ich eine gewisse Verbundenheit zu anderen Menschen, auch ohne schmecken, riechen oder fühlen zu können. Das gab meinem kranken Dasein einen winzigen Hoffnungsschimmer.
    Niemals hätte ich zugelassen, dass die Geschichte verschwindet, weil damit gleichzeitig mein kurzes Leben als Mensch in Vergessenheit geraten wäre.
    Ich sammle Handtücher und Decke wieder ein und eile durch die Hintertür hinaus. Meine Gedanken kreisen um den Kirchenbrand. Wie es wohl sein mag, bei lebendigem Leib zu verbrennen? Fast rieche ich den Rauch und spüre das Züngeln der Flammen auf meiner Haut. Ich bin so in Gedanken, dass ich den Wagen in der Einfahrt nicht bemerke. Dylans Vater sehe ich erst, als er sich mir in den Weg stellt.
    »Wo willst du hin, verdammt noch mal?« Er schlägt mir mit der flachen Hand so heftig vor die Brust, dass ich husten muss, und stößt mich zurück.
    »Ich will bei einem Freund übernachten«, antworte ich und versuche, an ihm vorbeizukommen. Je weniger ich sage, desto besser. Er will mich aufhalten und verpasst mir erneut einen Stoß. Der trifft mich so hart, dass ich ins Stolpern gerate. Handtücher und Decke fallen zu Boden, und ich kämpfe hilflos mit rudernden Armen um mein Gleichgewicht. Bevor ich wieder mit beiden Beinen sicher stehe, knallt er mich gegen das Garagentor.
    »Erst gibst du mir das Geld zurück, das du mir gestohlen hast, du kleiner Scheißer.« Sein Gesicht ist gerötet, seine Augen sind blutunterlaufen und glänzen unheilvoll. Auch ohne Geruchssinn würde ich wissen, dass er getrunken hat. Aber für eine funktionierende Nase ist sein Whiskeyatem einfach widerlich.
    Möglicherweise verursacht mir aber auch die Vorstellung Übelkeit, dass er mit seiner fleischigen Hand erneut zuschlagen könnte.
    Dylans Vater hat schon während meines ersten Aufenthaltes gerne seine Wut an mir ausgelassen. Aber ich habe es nicht gespürt. Seine Schläge haben mich eher zum Lachen gebracht. Doch jetzt würde ich einem weiteren Schlag gern aus dem Weg gehen. Außerdem sitzt Ariel im Auto und wartet auf mich. Ich möchte nicht, dass sie etwas mitbekommt.
    »Ich habe dein Geld nicht genommen«, lüge ich.
    »Schwachsinn.« Seine Hand ballt sich zur Faust.
    »Aber wenn du ein bisschen Geld brauchst, kann ich welches aus meinem Rucksack holen. Ich bin sofort zurück«, sage ich.
    »Ich brauche nicht ›ein bisschen Geld‹.« Sein Grinsen soll wohl bedrohlich und gefährlich wirken, aber seine verwaschene Aussprache macht den Effekt zunichte. Er ist eher eine traurige Witzfigur. Säße Ariel nicht wenige Meter entfernt im Auto, würde ich ihm das jetzt sagen und dann einfach abhauen. Dylans heimliche Verstecke sind zwar tabu für mich, seit ich seine Freunde vermöbelt habe, aber …
    Du kannst zu mir kommen. Jederzeit. Ich bin immer für dich da.
    Das hat Ariel am Strand gesagt. Und zwar bevor sie wusste, dass ich nicht Dylan bin. Obwohl sie glaubte, dass ich derjenige bin, der ihr Herz zum Scherz verwettet hatte, wollte sie mir eine Zuflucht anbieten und hat Mitgefühl gezeigt. Sie ist ein guter Mensch. Meistens jedenfalls.
    Manchmal allerdings …
    Über Mr Strouds Schulter hinweg kann ich sie sehen. Sie steht mit drohender Miene vor der Einfahrt und umklammert das Radkreuz aus Dylans Wagen. In ihren blauen Augen lodert heller Zorn. So habe ich sie erst ein einziges Mal gesehen: als sie Dylan ins Lenkrad griff und uns in den Tod reißen wollte.
    Wenn es mir jetzt nicht gelingt, die Situation zu entschärfen, wird Dylans Vater Ariels dunkle Seite kennenlernen. Womöglich sogar ihre mörderische. Vielleicht hätte er es sogar verdient, aber es ist meine Aufgabe, Ariel an ihre guten Seiten

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