Romy Schneider - die Biographie
Herzog von Modrone
Von den romantischen Hoffnungen und Erfüllungen abgesehen, die bald ihre ersten Verklärungen einbüßen, sind die ersten Jahre in Paris nicht einfach für Romy Schneider. »Jahre- und jahrelang saß ich in einem Loch,« meint sie darüber, »der Alain, der hat gearbeitet, gearbeitet, gearbeitet, und ich bin halb krepiert daneben, weil ich erstens eifersüchtig war und zweitens dachte: Eines Tages kannst du mit Visconti arbeiten, eines Tages mit Orson Welles, eines Tages mit dem und dem. Aber wann?« 237 Zumindest aber bot ihr der Umzug nach Paris die Möglichkeit, ihrem Alter gemäß zu leben. Aus der Distanz erkennt sie auch die – international gesehen – geringe Bedeutung deutscher Filmstudios. In dieser Hinsicht war das Ende ihrer ersten Karrieredort nicht unvorteilhaft, sie begreift ihre Filmarbeit jetzt international, ist bereit, auf lohnende Aufgaben zu warten, will sich nicht mehr von rein kommerziell ausgerichteten Beratern beeinflussen lassen.
Was sie gesucht habe, erklärt sie 1961 in einem französischen Fernsehinterview, sei jemand, der weder ihr Mann sei noch zu ihrer Familie gehöre. Jemand, der von außerhalb komme, ihr aus ihrer Situation helfe und ihr neues Selbstbewusstsein verschaffe. Diesen Retter meint sie nun gefunden zu haben. Sein Name ist Luchino Visconti, und er füllt die Gazetten nicht nur mit Gesprächsstoff über seine künstlerischen Leistungen. »Damals wie heute haben die Leute viel über die Beziehung zwischen Alain und Visconti geredet. Aber ich glaube, daß in dieser Beziehung nie etwas anderes zu sehen war als dies: Luchino liebte Alain, weil er in ihm das Rohmaterial zum großen Schauspieler witterte. Tyrannisch und mit einem Ausschließlichkeits-Anspruch wollte er das Material formen.« 238
Es wird den Abstand vieler Jahre benötigen, bis Romy Schneider zu einer solchen Differenzierung fähig ist. Während der Dreharbeiten zu
Rocco e i suoi fratelli/Rocco und seine Brüder
lernt Romy Schneider in Rom Luchino Visconti, Herzog von Modrone, kennen, dessen Vorfahren das Herrschergeschlecht Mailands bildeten. Nach anfänglichen Eifersüchteleien gegenüber Delons Begeisterung für den italienischen Maestro stimmt sie halbherzig einem Treffen zu. Sie begleitet Delon zu Viscontis Domizil in der Via Salaria und ist sofort beeindruckt von dem aristokratischen Regisseur, der sie einschüchtert und ihr äußerst reserviert entgegentritt. Er richtet für sie eines seiner Bankette aus, deren Requisiten er oft in eigenen Operninszenierungen einsetzt. Die anfängliche Befangenheit auf beiden Seiten weicht sehr bald gegenseitiger Sympathie. Visconti urteilt über Schneider: »Weiblich, aber hart.« 239
Allmählich freundet sich Visconti auch mit Romy Schneider an, erzählt ihr von Theaterplänen in Paris. Er möchte dort John Fords elisabethanisches Drama
Schade, daß sie
eine Dirne ist
inszenieren, ein Stück um eine inzestuöse Geschwisterliebe, das Georges Beaume ins Französische übersetzt hat. Alain Delon soll mitwirken, Annabella, die weibliche Hauptrolle, bietet Visconti »Romina« Schneider an. Sie lehnt entschieden ab. Filme hat sie einige gedreht, aber Bühnenerfahrung fehlt ihr gänzlich, zudem spricht sie nicht genug Französisch. Visconti beharrt auf einem Versuch. Ähnlich wie es vor Jahren Magda Schneider bei ihrem ersten Film tat, bietet er Romy eine Ausstiegsmöglichkeit aus der Produktion an, falls es nicht funktioniere. Erst viel später wird er ihr gestehen, dass er keine Zweitbesetzung engagiert hatte, sondern immer überzeugt war, sie würde es schaffen. Visconti findet die richtigen Worte, er wirft ihr vor, sie fürchte sich vor der neuen Aufgabe, nennt sie feige. Diese kleine Provokation gibt den Ausschlag. Natürlich hat Romy Schneider tatsächlich Angst vor diesem völlig neuen Weg, aber der Reiz, sich neu zu betätigen, die Theaterbühne zu betreten, ist größer.
Am 28. März 1960 schreibt Romy an Paul Kohner, dass sie in Wien an einer Rolle arbeite, »mit einer großen Schauspielerin und herrlichen Frau, die Rosa Albach-Retty heißt, die Mutter meines Vaters! […] Ich habe hier alles abgesagt, mache absichtlich eine größere Pause, um mich auf etwas wirklich gutes vorzubereiten – ich warte gerne! Es gibt wenige, die mich jetzt begreifen! Meine Eltern natürlich gar nicht. Aber was tut’s. Das nur nebenbei.« 240
Kohner verstärkt seine Bemühungen, er bietet Schneider an, sie nicht nur in den USA, sondern in allen
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