Romy Schneider - die Biographie
blamiert, die Zweifler scheinen recht zu haben. Sie ist davon überzeugt, dass sie scheitern wird, und beruhigt sich nach dentäglichen Strapazen mit Rot- oder Schaumwein. Als die Proben auf der Bühne stattfinden, verbessert sich die Situation nicht. Visconti lässt sie sofort in das Renaissance-Kostüm der Annabella schlüpfen, provoziert sie mit Missachtung. Zumindest das Tragen solcher Kostüme und schwerer Perücken ist ihr vertraut und bereitet keine Probleme. Aber sie kann sich nicht wie sonst auf kurze Einstellungen verlassen, in denen sie ihre Bewegungen genau einteilen kann. Aus der fünften Reihe, von einem der leeren 1350 Plätze aus beobachtet Visconti sie und schnarrt in einem fort, er könne sie nicht verstehen. Er schürt ihre Angst, lässt ihre Befürchtungen wahr werden und erweckt damit ihren Widerstand. Sie beginnt zu kämpfen, nicht gegen Visconti und den äußeren Druck, sondern für sich selbst, für ihre Aufgabe. Auch das Chanson, das ihr abverlangt wird, singt sie auf sein Verlangen. »Auf einmal löste sich etwas in mir. […] Der Druck in meinem Kopf schwand, ich pumpte die Lungen voll Luft, ich veränderte mich innerlich und äußerlich.« 244 Sie empfindet sich als eins mit der Rolle.
Nach der geglückten Probe weint sie hemmungslos, Visconti, der sich während der Proben bei einem Sturz das Knie verletzt hat, stelzt mit seinem Stock auf sie zu und lobt sie mit einem »Nicht übel, Romina«. Danach bricht er die Probe ab. Romy geht in das Bistro nebenan und ist nach einiger Zeit trunken von wahllos konsumierten Getränken, aber auch dem Gefühl, ihrem Traum entscheidend näher gekommen zu sein.
Entspannung während der Proben findet sie in ihrem Haus in Tancrou, das sie gemeinsam mit Delon gekauft hat, und bei Motorbootfahrten auf der Marne. Die drei Testaufführungen vor der für den 29. März 1961 geplanten Premiere verlaufen zufriedenstellend. Bei der Generalprobe fühlt sie sich plötzlich schlecht, hält die Schmerzen in der Bauchgegend aber schlicht für Lampenfieber. Als sie stärker werden, konsultiert sie einen Arzt, der Leberkrämpfe vermutet. Schmerzmittel und Spritzen helfen nicht lange. Delon trägt sie von einer Feier im Elysée Matignon nachHause an den Quai Malaquais. Am nächsten Morgen sind die Schmerzen unerträglich, ein Krankenwagen transportiert sie in ein Sanatorium. Man glaubt nun an eine Blinddarmentzündung. Romy ist verzweifelt, sie will die Premiere nicht gefährden. »Wir rasten im Krankenwagen durch die Stadt. Alain saß neben mir, ich sehe noch sein Gesicht über mir, abwechselnd grün und weiß. Durch die Scheiben sehe ich ein Stück blauen Himmels und vorüberrasende Häuserfronten. Erinnerungsfetzen. Eine Schwester im Krankenhaus will mir eine Spritze geben. Ich wehre mich. Ich kann die Schwester nicht leiden.« 245 Der Blinddarm muss entfernt, die Narbe bei künftigen Filmaufnahmen überschminkt werden. In Rundfunk und Fernsehen wird die Premiere des Stückes abgesagt, dessen Produktionskosten mit 600 000 Francs kolportiert werden. Ihre Kollegen besuchen sie in der Klinik von Ambroise-Paré, schicken Blumen. Delon mit für die Bühnenrolle kurzgeschorenen Haaren sitzt neben ihrem Bett, auch Romys Mutter lässt sich dort fotografieren. Jean Cocteau schickt der Kranken eine Zeichnung, der surrealistische Kopf eines französischen Soldaten befiehlt ihr darauf im Namen Frankreichs, wieder gesund zu werden (»Liebe Romy, beeile Dich, zu unser aller Freude wieder gesund zu werden. Ich umarme Dich und Alain. Jean Cocteau. – Frankreich befiehlt Dir, daß Du wohlauf bleibst.«). 246
Fünfzehn Tage später als geplant wird die Premiere angesetzt. Im Zuschauerraum sitzen unter anderem Anna Magnani, Curd Jürgens, Ingrid Bergman, Michèle Morgan, Jean Cocteau, Jean Marais, Shirley MacLaine. Auch Romy Schneiders Mutter und ihr Bruder sind zugegen. Ihren Leib unter dem schweren Kostüm noch bandagiert, steht sie den Abend unter Schmerzen durch. In einem Fernsehmitschnitt ist zu sehen, dass Romy lautstark ihren Text deklamiert, sie spielt sehr extrovertiert, hat bei Visconti gelernt, expressiv für ein Saalpublikum zu spielen, das auch auf den hinteren Plätzen dem Geschehen noch folgen können soll. Auf einem Foto, das später in einer Theaterpause aufgenommenwird, lehnt sie in ihrem Kostüm an der Wand vor einem Spiegel, hat den Kopf müde zur Seite gelegt, die rechte Hand krümmt sich etwas vor die rechte Bauchseite, wohl dort, wo unter dem Brokatstoff die
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