Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)
Beamte nahm das Schriftstück, betrachtete es und fragte nach, ob er richtig gelesen habe.
«Der höchst ehrenwerte Musashi Miyamoto?»
«Ebender», sagte Bennosuke.
Er war tatsächlich der Musashi ihres Dorfs, wie Tasumi ihn nach seinem Kampf gegen Arima getauft hatte. Hoffentlich würde sein Onkel lächeln, wenn er die Geschichte vom Tod Hayato Nakatas erfuhr, und wissen, dass der Junge, der bei ihm in die Schule gegangen war, sein Können unter Beweis gestellt hatte.
Dem Beamten sagte der Name nichts. Er griff nun ebenfalls zum Pinsel und vermerkte schnell etwas auf einem anderen Dokument.
«Und die Gebühr, mein höchst ehrenwerter Herr Miyamoto?», fragte er, während er schrieb.
«Die Gebühr?»
«Ja», sagte der Beamte. «Die Teilnahmegebühr. Welchem höchst ehrenwerten Fürsten dürfen wir die in Rechnung stellen? Wen werdet Ihr beim Reitertreffen des höchst ehrenwerten Fürsten Nakata vertreten?»
Kurz wurde Bennosuke von Panik erfasst. Auf den Werbetafeln war von keiner Gebühr die Rede gewesen. Aber natürlich nicht, das wäre ja unhöflich und anmaßend gewesen. Selbstverständlich nutzte Nakata jede Gelegenheit, Geld zu verdienen, und sicher wollte er damit auch Schurken fernhalten. Bennosuke besaß nur noch eine Handvoll Münzen, längst nicht genug.
Der Beamte sah ihn erwartungsvoll an. Ehe sich die Erwartung zu Argwohn auswachsen konnte, fiel Bennosuke etwas ein.
«Dieser Reiter hat die Ehre, den höchst ehrenwerten Fürsten Ukita zu vertreten.»
Das war kein allzu großes Wagnis: Ukita war ein mächtiger Mann, und vielleicht nahmen ja schon so viele Reiter in seinem Namen teil, dass einer mehr nicht auffiel. Und es schien tatsächlich zu funktionieren; der Beamte nickte und schrieb weiter, ohne Einwände zu erheben. Bennosuke atmete erleichtert auf, während er darauf wartete, dass das Dokument fertig wurde. Dann jedoch hob der Beamte den Blick.
«Äh, Herr Kumagai!», rief er an Bennosuke vorbei. Ein kleinwüchsiger, drahtiger Samurai wandte sich um. Er war mit einigen anderen Männern, die die gleichen Farben trugen wie er, ins Gespräch vertieft gewesen.
«Ein weiterer von Euren Männern», sagte der Beamte und wies mit höflicher Geste auf Bennosuke.
«Wie bitte?», erwiderte der Samurai, kam herbei, baute sich vor dem Jungen auf und musterte ihn argwöhnisch. «Wer seid Ihr?»
«Der höchst ehrenwerte Musashi Miyamoto», teilte ihm der Beamte mit.
«Und ich dachte, meine Männer wären schon vollzählig», sagte Kumagai und beäugte Bennosuke genauer. «Nehmt mal bitte Helm und Tuch ab, ich kann Euch ja gar nicht richtig sehen.»
Bennosuke zögerte, aber ihm blieb nichts anderes übrig. Als er sein Gesicht entblößt hatte, schlug Kumagais Argwohn in Erstaunen um.
«Hol mich der Teufel!», entfuhr es ihm. «Wie alt bist du denn?»
«Achtzehn», log Bennosuke.
«Ha! Versuch’s noch mal, Junge.»
«Sechzehn.»
«Schon besser», meinte Kumagai befriedigt. «Und was macht ein Junge wie du hier, Musashi?»
«Ich will am Reitertreffen teilnehmen, Herr», sagte Bennosuke und täuschte Verlegenheit vor.
«Wieso bist du nicht mit uns anderen hergekommen?», fragte Kumagai.
«Ich dachte, Ihr lasst mich nicht», antwortete Bennosuke aus dem Stegreif. «Ich will weiter nichts, als Fürst Ukita Ehre einbringen. Tut mir leid, Herr.»
«Nun», sagte Kumagai besänftigt. «Das kann ich dir ja wohl kaum zum Vorwurf machen. Aber du siehst sehr sonderbar aus. Was ist denn mit deinem Haar geschehen?»
«Ein Unfall, es …», stammelte Bennosuke. Weiter fiel ihm nichts ein, und er fuhr sich nervös mit einer Hand durch die kurze Mähne. Er war drauf und dran wegzulaufen, war sich sicher, dass irgendein Nakata-Mann zusah und ihn inzwischen erkannt haben musste.
Kumagai neigte den Kopf und schnalzte mit der Zunge. «Ach, was soll’s.» Er zuckte die Achseln und wandte sich an den Beamten. «Tragt den Mann bitte in unsere Liste ein.»
«Wie Ihr wünscht», erwiderte der und verneigte sich tief. «Im Namen des höchst ehrenwerten Fürsten Nakata wünsche ich Euch Gesundheit und viel Glück.»
Kumagai tippte dem Jungen auf den Arm und forderte ihn auf, ihm zu folgen. Als der Beamte fertig geschrieben hatte, reichte er das Blatt einem hinter ihm knienden Kunstschnitzer, der flugs begann, ein schon bereitliegendes Zedernbrett zu bearbeiten. Bald darauf hing, auch wenn Bennosuke es nicht sah, der Name Musashi Miyamoto neben Hunderten anderen. Darunter stand:
Mein Leben für die
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