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Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Titel: Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kirk
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Hufeisenform auf den drei Hängen rings um die «Pfote» ausgebreitet hatten. In ihrer Mitte, auf dem Grund des Tals, wo sich das Dorf Sekigahara befand – eine unbedeutende Ansammlung von Bauernhütten –, war die Gesamtheit des feindlichen Heers mit einigen wenigen Schriftzeichen angedeutet. Abertausende unbekannte Krieger in unbekannter Gefechtsaufstellung waren recht unbekümmert mit dem Wort «Tokugawa» zusammengefasst.
    Dass man so wenig über sie wusste, versetzte Ukita in tiefe Sorge; etwas Unbekanntes ließ sich nicht logisch erfassen. Er kaute auf seiner Lippe herum, achtete aber darauf, das hinter seinen Händen zu verbergen. Er wollte sich vor den anderen Fürsten und Generälen, die sich hier versammelt hatten, von eifrigen Jungspunden bis zu nachdenklichen Greisen, keine Besorgnis anmerken lassen. Er war der große Fürst, und sie alle erwarteten schweigend seine Befehle. Der Lärm der Abertausenden draußen drang nur gedämpft herein.
    Wie war es dazu gekommen?
    Es war ein Krieg um einen Titel, den angeblich niemand anstrebte: Shogun. Sämtliche Mitglieder des ehemaligen Ältestenrates schworen, ihre Absicht sei einzig und allein, weiterhin in aller Bescheidenheit den Sohn des verstorbenen Regenten Toyotomi zu beschützen, bis dieser alt genug sein würde, die Macht zu übernehmen. Sämtliche ehemalige Ratsmitglieder wussten natürlich, dass die anderen logen, und von sich selbst wussten sie es am allerbesten. Shogun zu werden war alles, was ihre Ahnen angestrebt hatten, und dass sie das Glück hatten, in eine Zeit hineingeboren zu sein, in der sich ihnen eine Gelegenheit bot, nach diesem Titel zu greifen … Oh, es brachte ihr Herz zum Jubilieren.
    Jetzt war dieser Titel zum Anfassen nah. Wie alle erwartet hatten, war Tokugawa der Erste gewesen, den man einige Monate nach dem Tod des Regenten wegen seiner «gefährlichen Ambitionen» und «unziemlichen Täuschungsmanöver» aus dem Rat ausgeschlossen hatte. Doch was niemand erwartet hatte: Tokugawa eilte anschließend von einem Erfolg zum nächsten. Der Geduldige Tiger machte seinem Namen alle Ehre und gewann nun Verbündete für ein Unterfangen, das eigentlich aussichtslos hätte sein sollen, flüsterte in die richtigen Ohren, versprach den einen Land und Gold, das ihm gar nicht gehörte, und machte andere einen Kopf kürzer.
    Und seine Strategie ging auf. Fürsten aus dem Osten und dem Norden scharten sich um sein Banner und gelobten ihm Treue, und seine Streitkräfte schwollen an, bis sie dem ebenbürtig waren, was die vier mächtigsten Männer des Landes gemeinsam aufzubieten vermochten. Das alles war geradezu meisterhaft arrangiert, und insgeheim hätte sich Ukita dem gern angeschlossen und an solcher Genialität teilgehabt. Doch er hatte sich längst anders entschieden und anderen Treue gelobt, und nun saßen sie da.
    Tokugawa.
Diese kleinen Schriftzeichen, schwarz auf weiß. Ukita schmeckte Blut.
    * * *
    Fürst Shinmen hatte innerhalb seiner eigenen Palisade ebenfalls eine Landkarte vor sich – und hatte gerade eine Nachricht erhalten. Er öffnete die lackierte Röhre, zog die Schriftrolle heraus, überflog sie und sah dann seine versammelten Leibwächter und Adjutanten an.
    «Unser lieber Verbündeter, Fürst Kobayakawa, bezeichnet unseren Herrn, den höchst ehrenwerten Fürsten Ukita, geradezu als Verräter», sagte er, «und uns infolgedessen auch.»
    «Wenn Kobayakawa das auch den anderen Fürsten mitgeteilt hat …», sagte einer der Männer mit besorgtem Blick.
    «Das wird er wohl getan haben», erwiderte Shinmen und wies auf den Haufen der Briefröhren neben sich am Boden, «so wie Ishida mir gegenüber ihn als Verräter bezeichnet – und Konishi sich entsprechend über Kikkawa geäußert hat … Es würde mich nicht wundern, wenn Tokugawa selbst den Erdboden für seine Sache gewonnen hätte. Ich rechne jeden Moment mit einem Beben.»
    Nervöses Gelächter erscholl, das aber schnell wieder verstummte, nicht nur, weil es ein schlechter Scherz war, sondern weil alle wussten, dass wirklich Grund zur Besorgnis bestand. Warum sonst wäre Tokugawa so leichtfertig in diesen Talkessel hineinmarschiert, in dem er umzingelt war – es sei denn, er war gar nicht umzingelt? Das stank förmlich nach Verrat, und die ganze Nacht waren zwischen den Fürsten hektische Botschaften und Anschuldigungen hin und her gegangen.
    Wenn jemand ein falsches Spiel trieb, war Ukita der naheliegendste Verdächtige – oder Fürst Kobayakawa. Die beiden verfügten

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