Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Titel: Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kirk
Vom Netzwerk:
hatte nichts davon mitbekommen. Kumagai und seine Männer waren ausgesandt worden, einen Gebirgspass zu halten, der wichtig war, sich aber fernab vom Kampfgeschehen befand, und waren dort geblieben, bis einen Monat zuvor ein Befehl von Ukita eintraf: Sie sollten sich dem großen Heer anschließen, das nach Sekigahara marschierte.
    Kumagai hatte damals, bevor der Krieg das ganze Land ergriff, nicht allzu viel unternommen, um herauszufinden, ob Bennosukes Geschichte der Wahrheit entsprach. Miyamoto war ein weit verbreiteter Name, und statt Zeit damit zu vergeuden, sich durch Dutzende von Clan-Akten zu wählen, hatte er dem Jungen einfach gestattet, sich ihm und seinen Männern anzuschließen.
    Kumagai hatte schließlich auch noch andere Dinge, um die er sich kümmern musste. Er war Reiter und Offizier der Kavallerie, doch als man sie zu jenem Pass entsandte, weit ab von jedem Weideland, mussten sie ihre Rösser zurücklassen. Bennosuke war erleichtert, dass er sich kein neues Pferd beschaffen musste – eine Sorge weniger. Kumagai aber schien die Vorstellung gar nicht zu behagen, sich dort oben verschanzen zu sollen.
    «Unser höchst ehrenwerter Fürst verhält sich klug, passt den rechten Augenblick ab, hält, was er hat. Ich habe an dieser Strategie nichts auszusetzen», sagte der Samurai immer wieder, und jedes Mal sah ihm Bennosuke an, dass er sich in den Sattel zurücksehnte.
    Sie waren buchstäblich aus ihrer Stellung ausgebrochen, als der Befehl einen Monat zuvor gekommen war, aus dem Gebirge hinab in die Täler und Ebenen. Dort hatten sich ihre achtzig Mann weiteren achtzig angeschlossen. Anschließend waren sie auf eine fünfhundert Mann starke Truppe gestoßen, und schließlich war all das in einer Streitmacht von zweitausend Mann aufgegangen – und so weiter, bis das ganze Land von Soldaten wimmelte. Die Samurai waren marschiert, und beiderseits des Wegs hatten die niederen Stände gekniet und die Gesichter zu Boden gesenkt.
    Ukita und die anderen großen Fürsten hatten dieses Tal gewählt, um ihre einzelnen Streitmächte zu einem großen Heer zu vereinen und die Hauptoffensive auf den weiten Ebenen im Osten zu planen. Sekigahara war bewaldet, sie hielten sämtliche Anhöhen, und auf den baumbestandenen Hängen eingegraben glaubten sie sich sicher und meinten, viel Zeit zu haben, um über Landkarten und Strategievorschläge debattieren zu können.
    Es hatte sie daher in nicht geringem Maße überrascht, als am Vortag der Feind gesichtet worden war, der direkt auf sie zumarschierte. Furchtlos waren dessen Krieger kurz vor Sonnenuntergang in den geräumten Talkessel eingerückt, in einem Zug, der sich bis zum Horizont erstreckte. In der Dunkelheit hatten sie sich zur Schlacht bereitgemacht, während der Nebel langsam ihre Laternen eingehüllt hatte. Die schiere Zahl dieser Lichter war entmutigend anzusehen. Bennosuke hatte im Laufe der Nacht beklommene Gespräche in seiner Umgebung mit angehört, wie die Männer sich zu überzeugen versuchten, dass es ein Täuschungsmanöver sei und jeder einzelne Krieger des Feindes zwei Laternen bei sich trage.
    Der Junge hatte all das kaum beachtet. Er hatte ein wenig abseits gesessen und in aller Ruhe zugesehen, wie sich der Himmel langsam erhellte, so wie er jetzt den Falken beobachtete, der seine Kreise zog. Nun schwang sich der Vogel hoch hinauf und verharrte einen majestätischen Moment lang am höchsten Punkt. Doch auch er war Teil dieser unvollkommenen Welt und musste schließlich ihren Gesetzen gehorchen: Er drehte sich um sich selbst, tauchte hinab und verschwand im Nebel.
    Der Fürst Ieyasu Tokugawa war auch als Falkner bekannt. Vielleicht kehrte der Falke auf seine Hand zurück, die irgendwo dort unten verborgen war.
    * * *
    «Tokugawa», sagte Fürst Ukita, die Fingerspitzen vor dem Gesicht zusammengelegt. «Tokugawa, Tokugawa, Tokugawa.»
    Das war ein kluger Schachzug von Euch, fügte er in Gedanken hinzu.
    Die Palisade des Fürsten befand sich unterhalb der Nebelgrenze, ein Ring aus blickdichter Seide, nach oben hin offen. Die flackernden Laternen vermochten den Nebel nicht zu vertreiben, der die Welt schwertfarben färbte. In diesem Dämmerschein saß Ukita auf einem Hocker, eine hastig gezeichnete Karte der Umgebung vor sich auf dem Boden ausgebreitet. Die breiten schwarzen Tuschestriche glänzten noch in dem funzligen Licht.
    Das Tal hatte die Umrisse eines kurzen Hundebeins, und die Karte zeigte, dass sich Ukita und seine Verbündeten annähernd in

Weitere Kostenlose Bücher