Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Titel: Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kirk
Vom Netzwerk:
Fingern.
    «Du wirst sie brauchen, Junge.» Der Samurai leckte sich die Finger ab, sah sich argwöhnisch im Schankraum um, obwohl sich dort kein weiterer Samurai aufhielt, und beugte sich dann mit Verschwörermiene vor. «Der Regent Toyotomi ist tot.»
    Dann lehnte er sich zurück, wie um dem Jungen Zeit zu lassen, die Bedeutsamkeit dieser Nachricht zu erfassen. Bennosuke aber sagte immer noch kein Wort. Was hatte das mit ihm zu tun? Das betraf die Welt der Samurai, und der gehörte er nicht mehr an.
    «Schon seit einer Woche», fuhr Kumagai fort und nickte. «Wir haben erst nach dem Reitertreffen davon erfahren. Unsere Spione in Kyoto sind die besten. Sonst weiß keiner hier davon. Du weißt, was das bedeutet, nicht wahr?»
    Krieg.
Der
Krieg
.
    «Wir müssen nach Okayama zurück. Unser Fürst Ukita hat zweifellos einen Plan. Wir haben schon genug Zeit damit vergeudet, nach dir zu suchen. Wir müssen sofort aufbrechen. Wir sind jetzt keine Sportler mehr, jetzt sind wir wieder Soldaten.»
    Er wies mit einer Kopfbewegung zum Ausgang und machte Anstalten aufzustehen. Bennosuke ließ es sich durch den Kopf gehen. Ein Soldat musste nicht nachdenken. Ein Soldat tat einfach nur, was ihm befohlen wurde. Das klang gut. Er war nicht tot und konnte auch an diesem Tag nicht mehr sterben, und das Soldatendasein verhieß Nahrung, Wärme und ein Bett. Eine primitive Motte, die in der Laterne der schlichten Sinnenwelt hin und her brummte – das war er.
    Er nickte, nahm die Waffen, die er zu tragen nicht würdig war, und erhob sich gemeinsam mit Kumagai. Die beiden traten aus dem Wirtshaus hinaus in ein Land, das sich im Krieg befand und nur noch nichts davon wusste. Die Menschen genossen einen letzten schönen Tag, ehe neue Grenzen gezogen und chaotische Zustände herrschen würden wie seit Jahrzehnten nicht mehr.
    «Kopf hoch, du Jammerkloß», sagte Kumagai und verpasste ihm scherzhaft einen Klaps auf den Hinterkopf. «Es war doch bloß ein Pferd.»

Sekigahara

    E in Tag des Ruhms und der Wiedergeburt; das zerteilte Reich wird neu geeint.

    Der einundzwanzigste Tag des zehnten Monats des fünften Jahres der Keicho-Ära.

    (Im Jahre 4296 nach der alten chinesischen Zeitrechnung, genau sechzehnhundert Jahre, nachdem die Europäer ihren Gott töteten.)

Kapitel 15
    D er Falke segelte so nah über dem Nebelmeer dahin, dass Bennosuke den Eindruck hatte, er wirbelte mit seinen Klauen kleine Nebelschlieren auf. Er kreiste und kreiste in eleganter Reglosigkeit, seine Silhouette im Licht der Morgendämmerung eine marineblaue Form auf stahlblauem Grund.
    Der Nebel hatte sich im Laufe der Nacht herabgesenkt, und er war so dicht und hing so tief, dass er das Tal einhüllte, die Hänge aber freiließ. Da er nicht schlafen konnte, war Bennosuke wie andere Männer auch noch im Dunkeln in voller Rüstung den Hang hinaufgewandert, und gemeinsam hockten sie dort oben, beteten, schärften ihre Schwerter oder warteten wie er einfach nur auf den Morgen und sahen dem Falken zu.
    Irgendwo dort unten im Nebel lagerten zwei Heere, von hier aus nicht zu sehen und nur gedämpft zu hören. Niemand wusste genau, wie viele Männer es waren, bei einhundertfünfzigtausend hatte man aufgehört zu zählen. Es war die größte Ansammlung von Kriegern in der japanischen Geschichte.
    Noch eine Woche zuvor hatte niemand je von Sekigahara gehört, nun aber entschied sich in diesem Tal das Schicksal des ganzen Landes.
    Der Falke schrie, ein durchdringender Laut, von dem Bennosuke eine Gänsehaut über den Rücken lief. Andere Männer hätten diesen Schrei vielleicht als unheilschwanger oder vielverheißend bezeichnet, für ihn aber ballte sich darin nur das alles beherrschende Gefühl der Fremdheit. Hier war er nun am Ende eines Kriegs, der ihm selbst nichts bedeutete, der im ganzen Land aber das Leben so vieler anderer Menschen verschlungen hatte.
    Seit dem Reitertreffen waren zwei Jahre vergangen. Er hatte vom Wechsel der Jahreszeiten wenig mehr mitbekommen als Änderungen der Temperatur und der Tageslänge. Viel Arbeit und eine geregelte Ernährung hatten ihn groß und stark werden lassen. Obwohl er gerade erst sechzehn war, besaß er nun den Körper eines Mannes. Er hatte sich verändert, und wenn er ehrlich war, fühlte sich seine äußere Gestalt manchmal ebenso fremd an wie die Handschuhe oder der Brustharnisch, die er jetzt trug.
    Das war kein neues Gefühl. Der Krieg war in den langen Monaten, die hierhergeführt hatten, hin und her gewogt, Bennosuke aber

Weitere Kostenlose Bücher