Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)
jener Nacht immer nur selbst vorgehalten hatte. Es war ebenso erregend wie peinigend, alle Sinne waren aufs Höchste gespannt, und er glaubte zu hören, wie sich die Lippen seines Bruders voneinander lösten, als der Mönch genüsslich zum letzten Schlag ausholte.
«Schämst du dich, dass du deine Frau umgebracht hast?»
In dem folgenden Moment des Schweigens ächzte die dünne Wand der Hütte unter einer Last, die daran gelehnt wurde. Munisai blickte aus dem Augenwinkel hin, atmete tief durch, richtete den Blick wieder auf seinen Bruder und sprach aus, was ihm seit Jahren auf der Seele lag.
Kapitel 4
B
etrunken.
Zu viel Sake, zu weit bis nach Hause, zu kalt. Munisai stolperte dahin, Hurengeruch am Leib. Es war ein langer Fußmarsch aus der Stadt heim nach Miyamoto, mindestens eine Stunde, und unterwegs kehrte die Lust, die er für diese Nacht schon befriedigt geglaubt hatte, noch einmal zurück. Der Junge schlief bei Dorinbo, also würde er vielleicht, wenn er heimkam, auch noch Yoshiko nehmen. Ja, das wäre nett.
Zu Hause angelangt, stolperte er die Eingangstreppe hoch und riss die Haustür auf. Der Anblick der Schenkelinnenseiten seiner Frau empfing ihn, dazwischen der gebräunte Rücken und Hintern eines Bauern.
Schlagartig fühlte er sich stocknüchtern.
«Was geht hier vor?!», brüllte er.
Der Bauer ließ von Yoshiko ab und wandte sich mit schockierter Miene zu ihm um. Er war ein hochgewachsener Mann, deutlich größer als Munisai, schlank und muskulös. Yoshiko schlug langsam die Augen auf, noch halb versunken in lustvoller Verzückung, verschwitzt und mit gelöstem Haar. Sie sah zu Munisai auf und wirkte nicht im Mindesten beunruhigt. Vielmehr lag Stolz und Gehässigkeit in ihren Augen.
«Was geht hier vor?!», schrie Munisai erneut und stürmte ins Haus.
Der Bauer sprang auf und wich vor ihm zurück.
«Bitte nicht, Herr …», setzte er an und wagte es, Munisai in die Augen zu sehen.
«Was?»
«Tut Yoshiko nichts an, es ist nicht ihre Schuld.» Er senkte ehrerbietig den Kopf.
Dann geschah etwas mit Munisai. Ein Mordrausch packte ihn. Er wütete mit seinem Schwert, aber er war in diesem Moment kein Samurai. Er hieb und schlug, bis ihm Blut ins Gesicht und auf die Hände spritzte. Dann stand er schwer atmend da, der Bauer lag in Stücke gehackt am Boden. Er wandte sich Yoshiko zu. Sie hatte vom Bett aus ungerührt zugesehen, hatte es nicht einmal für nötig gehalten, ihre Blöße zu bedecken.
«Ein Bauer?», rief er. «Ein Bauer?!»
«Nur ein Werkzeug meiner Lust», erwiderte sie.
«Wie lange geht das schon?», stieß er zwischen den Zähnen hervor. Sie antwortete nicht. Er richtete die Schwertspitze auf sie. «Sag es mir!»
Ihre Augen funkelten furchtlos, ihr Mund verzog sich zu einem Grinsen, und dann lachte sie. «Ahnst du jetzt, wie oft du bei deiner Heimkehr in ein Bett geschlüpft bist, in dem er gerade noch lag? Wie oft du seinen Schweiß von meiner Haut geleckt hast?», höhnte sie. «Du bist wirklich ein Narr, Munisai Hirata!»
Ihr Lachen versetzte ihm einen Stich. Als ihm klarwurde, was sie getan hatte, was sie immer noch tat, schlugen Schock und Empörung in wüsten Zorn um. Er ohrfeigte sie, zerrte sie an den Haaren aus dem Haus und warf sie die Eingangstreppe hinab auf den Hof, immer noch schwer atmend und das Schwert in der Hand. Sie hörte nicht auf zu lachen.
«Sei still!», knurrte er – und wollte noch mehr sagen, fand aber einfach keine Worte. Vage wurde er sich bewusst, dass sich in der Dunkelheit jenseits des Hofs Schemen regten. Der Bauer hatte geschrien und geschrien, da ließen Neugierige nicht lange auf sich warten.
«Ihr da!», rief Yoshiko auf allen vieren zu ihnen hinüber. Ihr Lachen war inzwischen hysterisch, und sie hatte Schaum vor dem Mund. «Kommt alle her und seht, was für ein Mann Munisai ist! Schaut ihn euch an, das ist der wahre Munisai!»
Er schlug sie ins Gesicht, doch das brachte sie nicht zum Verstummen. Ihr eleganter Kimono war verrutscht und hatte sich um ihren Leib geschlungen, sodass Brüste und Geschlecht frei lagen. Inzwischen war ihr ganzer Körper mit Schmutz beschmiert, als wäre sie eine angeleinte Schwachsinnige, sabbernd und in Lumpen. Aus der Dunkelheit drang Gemurmel.
«Du Hure», fuhr Munisai sie an. «Wie lange geht das schon?»
«Wie alt ist Bennosuke?», fragte sie ihn und spuckte Blut auf die Erde.
«Was hat das damit zu tun?», erwiderte er, doch dann ging es ihm auf. Als Yoshiko den Blick hob, las Munisai in ihren
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