Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)
genügt. Da er seinem Stand gemäß schüchtern war, musste sie ihn Schritt für Schritt in ihr Bett locken, was ihr dank ihrer immer noch jugendlichen Reize schließlich gelang.
Wenn sie beisammen waren, flüsterte er ihr süße Worte zu, wobei er vergeblich versuchte, sich wie ein gebildeter Mann auszudrücken. Er stank nach Feldarbeit, sein Körper war hart und knochig, doch Yoshiko achtete darauf ebenso wenig wie auf seine Worte. Sie dachte nur an Munisai.
Der aber machte weiter wie zuvor. Er ahnte nicht, was vor sich ging, und war ein wenig erstaunt, als er von ihrer Schwangerschaft erfuhr. Ihr ehelicher Verkehr war ihm nur verschwommen in Erinnerung, er war meist betrunken gewesen und nicht zum Abschluss gekommen. Ihr Bauch schwoll an, doch er änderte seinen Lebenswandel nicht. Er holte lediglich eine Amme ins Haus, die ihr beistehen sollte, und kümmerte sich anschließend nicht mehr um sie als zuvor.
Als Bennosuke zur Welt kam, klein und rosig und schreiend, war er mit einem Mal Munisais ganzer Stolz. Er trug den Jungen auf dem Arm, sprach leise zu ihm, führte ihn seinen Freunden vor. Yoshiko lächelte ihm sittsam zu, doch sein freudiger Blick und das Kind auf seinem Arm führten ihr vor Augen, was sie gemeinsam hätten haben können.
Fünf Jahre lang wuchs Bennosuke heran, und in reuigen Momenten überlegte sie, es Munisai nie zu sagen. Doch die Liebe, die er dem Jungen schenkte, verweigerte er ihr. Zwar teilten sie alle drei den Namen Hirata, doch Yoshiko wurde klar, dass dies Munisai in ihrem Fall nicht mehr bedeutete als der Name auf seiner Rüstung. Bennosuke hingegen liebte er wirklich, und das verhärtete ihr Herz stets aufs Neue.
Denkichi hatte sich ferngehalten, solange Yoshiko schwanger und Bennosuke ein Kleinkind gewesen war, aber irgendwann lockte Yoshiko ihn wieder zu sich. Manchmal ließ sie ihn sogar ihren Sohn auf dem Arm halten, währenddessen sie Sachen von ihm versteckte, auf dass Munisai sie später fände – seine Sandalen oder das Stirntuch, das er bei der Feldarbeit trug.
Munisai aber merkte nichts. Er trat die Sachen einfach beiseite oder murmelte, das Gesinde solle gefälligst besser aufräumen.
Yoshiko wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Sie bedeutete ihm so wenig, dass es ihm überhaupt nicht in den Sinn kam, dass auch sie zu Täuschung, Bosheit oder anderen menschlichen Regungen fähig war.
Der Bambushain hatte nun nicht einmal mehr die Farbe von Fäulnis. Er hatte sich in nichts aufgelöst. Da ertappte sie sich bei der Frage, ob es mit ihrem Leben denn anders sei. Und so kam es zu dieser Nacht.
Yoshiko bereitete sich auf die Rolle vor, die sie zu spielen hatte, eine übertrieben eisige, stählerne Figur, die Munisai vollkommen brechen sollte. Der Augenblick nahte, auf den sie all die Jahre hingearbeitet hatte, und während Denkichi in ihr war, fühlte sie sich vollkommen losgelöst von der Welt, zwischen Euphorie und Resignation.
Es war, wie stets, schnell vorbei, doch als Denkichi gehen wollte, zog ihn Yoshiko noch einmal ins Bett zurück.
«Bleib noch ein Weilchen», bat sie.
«Aber …», entgegnete Denkichi, und sein hässliches Gesicht blickte besorgt.
«Er kommt heute nicht mehr», log sie. «Er ist die ganze Woche verreist. Bleib. Sonst fühle ich mich so einsam.»
Und weil er ein schlichter Mensch war und ihr glaubte, ließ er sich darauf ein. Während er noch einmal mit ihr schlief, hörte sie Schritte auf dem Pfad zum Haus. Sie atmete tief durch, wappnete sich, und als die Tür aufgerissen wurde, entschuldigte sie sich lautlos bei Denkichi. Sein Karma war gut, vielleicht würde er als Samurai wiedergeboren.
Dann war Denkichis Seele fort, und sein Körper lag in Stücke gehackt am Boden. Yoshiko lag, aus der Nase blutend, halbnackt im Schmutz auf dem Hof. Leute sahen zu, und sie lachte. Munisai war rasend vor Wut, er schäumte – endlich empfand er etwas!
«Du Hure», fuhr Munisai sie an. «Wie lange geht das schon?»
«Wie alt ist Bennosuke?», fragte sie.
«Was hat das damit zu tun?», erwiderte er.
Sie sah zu ihm hoch. Das war er, der Moment, für den sie gelebt hatte. Ihr blieb nur noch eins zu sagen, eine letzte Wunde zu schlagen, und ihre Vergeltung wäre vollkommen. Yoshiko wusste, ihre Ahnen sahen zu und verlangten den Beweis, dass sie eine Samurai war, und sie freute sich auf den großen Moment der Ekstase und Befriedigung, der ihr nun zuteilwerden würde.
Doch da sah sie endlich wieder etwas Menschliches in Munisais Augen: Er
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