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Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Titel: Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kirk
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begierig er auch auf den Kampf war, sehr vorsichtig vor, wollte sich keine Blöße geben.
    Sie tauschten Finten und Riposten, tänzelten umeinander herum, bis schließlich Munisai zu straucheln schien, sein Schwert hoch erhoben und damit die ganze Länge seines Körpers ungeschützt.
    Bennosukes instinktive Reaktion war, in die Lücke vorzustoßen, um mit hartem Holz weiches Fleisch zu treffen, doch dann witterte etwas Klügeres und Stärkeres in ihm eine Falle, und statt zu einem Ausfall anzusetzen, wich er zurück. Munisai hätte vor Wut fast ausgespien.
    «Nein!», schnauzte er. «Was zögerst du?»
    «Du hättest mich geschlagen», erwiderte Bennosuke.
    «Na und? Du hattest die Chance, meine Kehle zu treffen.»
    «Aber in einem richtigen Kampf wäre ich jetzt tot.»
    «Das weißt du nicht. Vielleicht hätte ich dich auch verfehlt. Sicher sein kannst du dir nur bei dem, was du selber tust. Hättest du mich treffen und sauber töten können?»
    «Vielleicht.»
    «Ich habe eine himmelweite Lücke in meiner Abwehr gelassen. Natürlich hättest du mich treffen können.» In Munisais Wut mischte sich Verachtung. «Aber du bist vor dem Ziel zurückgeschreckt – deinem einzigen Ziel im Kampf, deinem einzigen Ziel als Samurai. Weil du Angst hattest, dir weh zu tun, als wärst du irgendein warmer Bruder aus Kyoto.»
    Bennosuke erwiderte nichts, da er wusste, dass es sinnlos war, sich zu streiten. Mürrisch wandte er den Blick ab. Prompt belohnte Munisai die trotzige Geste, indem er dem Jungen blitzschnell das Holzschwert überzog, so fest, dass dieser rückwärts wankte. Mit einer verächtlichen Handbewegung warf der Samurai die Waffe hin und ging hinaus.
    Der Schmerz war so heftig, dass Bennosuke die Beherrschung verlor. Ehe er wusste, was er tat, hatte er Munisais Schwert aufgehoben und stürzte wütend knurrend auf dessen Rücken zu. Rechts das Langschwert, links das Kurzschwert, wollte er völlig außer sich mit beiden zugleich zuschlagen.
    Munisai wandte sich, als er die Schritte hörte, halb um und zog sein richtiges Kurzschwert zur Hälfte aus der Scheide. Der Anblick der Stahlklinge ließ Bennosuke zurückscheuen und erstickte den Angriff im Ansatz. Nach kurzem Innehalten nickte Munisai knapp.
    «Gut», sagte er. «Aber ein Schwert in jeder Hand? So hat man keine Kraft. Keine Präzision. Ich hätte dir das Fell über die Ohren gezogen. Du hättest keine Chance gehabt, daher war es in diesem Fall die richtige Entscheidung, dich zu bremsen.»
    Das war jedoch nicht als Kompliment gemeint. Dunkle Belustigung zeigte sich auf Munisais Gesicht, bevor er fortfuhr: «Ich frage mich bloß: Hast du die Lektion gelernt – oder war das einfach nur Feigheit?»
    Mit einem metallischen Klacken schob er sein Kurzschwert in die Scheide zurück und schritt dann, immer noch freudlos grinsend davon. Bennosuke sah ihm nach, bis er allein war. Dann hockte er sich hin, knirschte mit den Zähnen und stieß vor Wut und Scham ein kehliges Heulen aus.
    Er tat das nicht zum ersten Mal. Die Schläge schmerzten, und die Herabsetzung kränkte seinen Stolz, rasend aber machte ihn, dass er nicht wusste, gegen wen sich diese schreckliche Wut eigentlich richtete.
    Gegen Munisai, weil er ihn grausam behandelte? So hätte es sein sollen, aber je länger er mit ihm zu tun hatte, desto mehr bewunderte er ihn insgeheim. Trotz seiner Beeinträchtigung vollbrachte der Samurai bei allem, was er tat, scheinbar mühelos Höchstleistungen. Der Junge stellte fest, dass der Wunsch, von ihm zu lernen und sein Lob zu erringen, inzwischen ebenso stark war wie der Wunsch, ihn eines Tages zu stellen.
    Vielleicht richtete sich die Wut auch gegen ihn selbst, weil er so empfand. Dieser Mann war schließlich der Mörder seiner Eltern, ein bösartiger Schwindler, der sich als sein Vater aufspielte. Was war Bennosuke für ein Mensch, dass er so jemanden beeindrucken wollte? Und dann war da auch noch die Schmach, dass er all die Jahre nicht verständig genug gewesen war, selbst zu erkennen, wie die Dinge sich wirklich verhielten. Ein blindes, dummes Kind war er gewesen – und war es immer noch.
    Andererseits: War er blind, oder hatte man ihn geblendet? Dorinbo und Tasumi hatten ihn all die Jahre belogen und im Dunkeln gelassen. Waren sie es, denen er zürnte? Sie waren ja jetzt nicht einmal mehr seine Verwandten. Oder waren womöglich die Bauern der Grund für seine Wut, weil sie sich vor ihm ekelten und sich nur widerwillig, aus Angst vor Munisai, um ihn gekümmert

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