Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)
sie sich auf, doch weiter geschah nichts. Keiner von ihnen ließ seine Waffe auch nur aufblitzen, und als der dünne Mann eine Hand hob, hielten sie augenblicklich inne.
«Dieser Mann ist weit mehr als nur ein Samurai!», rief der Herold entrüstet. «Er ist der höchst ehrenwerte Fürst Hayato Nakata!»
Bennosuke überlegte kurz, dann kniete er nieder und legte die Stirn auf den Boden. Es war das erste Mal, dass er einem Fürsten begegnete, aber er wusste, was von ihm erwartet wurde – zumal, wenn an seiner Seite fünf Männer wie angeleinte Hunde schäumten.
«Na, wenigstens habt Ihr Manieren», gluckste Hayato und schüttelte den Kopf. «Erhebt Euch.»
Bennosuke tat wie geheißen, und da er nicht wusste, was er sonst sagen sollte, sagte er das, was ein Samurai seiner Vermutung nach in so einer Situation sagte: «Womit kann ich Euch dienen, Hoheit?»
«Das hier ist das Dorf Miyamoto, nicht wahr?», fragte Hayato.
«Jawohl, Hoheit.»
«Dann ist der Gutsherr dieses Dorfs Munisai Shinmen. Kennt Ihr ihn?»
«Ich bin sein Sohn, Hoheit.»
«Sein Sohn?», erwiderte Hayato und lachte. «Dieser hässliche Welpe ist Munisais Sohn! Vielleicht werden seine Fähigkeiten überschätzt, wenn er nichts Besseres zu zeugen vermag!»
Die anderen Männer lachten pflichtbewusst, während Bennosuke vor Verlegenheit errötete. Sein Gesicht pulsierte regelrecht. Doch es war seine eigene Schuld – warum hatte er sich auch als Munisais Sohn zu erkennen gegeben?
«Fürst Nakata, Hoheit», drang plötzlich Munisais Stimme aus dem Dojo, und dann trat er langsam aus der Halle hervor. «Ich bin hocherfreut, dass Ihr mich beehrt, aber wenn Ihr wegen der Entschädigung für Kannos Burg gekommen seid, muss ich Euch enttäuschen. Mein Vermögen wird bei meinem Herrn, Fürst Shinmen, in Osaka verwahrt.»
Seine Worte waren höflich, sein Ton aber kühl. Von der Armschlinge war nichts mehr zu sehen, vielmehr hatte Munisai die Arme verschränkt. Breitbeinig stand er da und musterte in aller Ruhe die burgunderroten Samurai. Die Augen des Mannes, der neben Nakata stand, funkelten mit einem Mal interessiert.
«Wir sind gekommen, um Euch zu zeigen, woraus mein ‹Geist eines Städters› gemacht ist, überheblicher Hund!», blaffte Nakata. «Wir werden Euch zeigen, dass ich mich keineswegs vor Krieg ekele. Habt Ihr das verstanden?»
«Durchaus», erwiderte Munisai, und ein leichtes Lächeln spielte um seine Lippen. Da der Fürst ihn scharf anging, stand es ihm ebenfalls frei, die von der Etikette verlangte Höflichkeit beiseitezulassen. «Und wer ist ‹wir›, wer soll beweisen, aus welchem Holz Ihr wirklich geschnitzt seid, Hoheit?» Sein Blick verharrte schließlich auf dem Samurai an Hayatos Seite, doch in diesem Moment tauchte Dorinbo auf. Er lief die Eingangstreppe hinab und stellte sich zwischen den burgunderroten Samurai und Munisai.
«Bitte, bitte, bitte», sagte der Mönch und hob beschwichtigend die Hände. «Es besteht überhaupt kein Grund dafür, dass es hier heute zu Gewalttätigkeiten kommen müsste, Hoheiten. Mein Name ist Dorinbo, und ich diene der Göttin Amaterasu. Mein Bruder Munisai und ich werden Euch herzlich gern …»
«Ein Bruder, ein Sohn? Steckt Eure Mutter etwa auch noch da drin, Shinmen?», unterbrach ihn Nakata. Er sprach Munisai direkt an, sodass Dorinbo nichts anderes übrig blieb, als zwischen den beiden hin und her zu blicken. «Gütige Götter, warum konntet Ihr denn nicht an der Seite Eures Herrn bleiben, in der zivilisierten Welt? Warum habt Ihr mich genötigt, hierher an den Arsch Japans zu kommen, wo ich mir das Gefasel irgendwelcher Priester und Aussätziger anhören muss?»
«Ich bitte Euch von ganzem Herzen um Entschuldigung für diese Unannehmlichkeiten», erwiderte Munisai und wandte sich dann wieder dem Samurai an Nakatas Seite zu. «Und jetzt zu Euch. Wer seid Ihr?»
Der Mann trat nicht etwa vor, nein, er hakte die Daumen in den Gürtel und schlenderte herbei. Dabei blickte er sich betont lässig um, bis er einen Bambusstamm entdeckte, an dem Reishalme vor dem Dreschen zum Trocknen aufgehängt waren. Er schüttelte die Halmbündel ab, hielt den Stamm aufrecht vor sich hin und betrachtete ihn mit Kennerblick. Er war doppelt so hoch wie ein Mann, mit noch grüner, gefurchter Rinde und dicker als ein menschlicher Oberschenkel. Der Samurai nickte zufrieden und winkte einen Bauern herbei, der den Stamm halten sollte. Der Auserwählte war ein junger Mann, der zögernd herbeikam, den Blick zu
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