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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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Gesellschaftsordnung erneut ins Bewußtsein rücken. Kenne die Arbeiterbewegung Ursachen und Ausmaß
     zwangsläufiger Erscheinungen, Fakten und tieferliegende Zusammenhänge, könne sie wirksamer gegen den Kapitalismus kämpfen
     und von blindem Vertrauen auf den professoralen Weisheitsborn der bürgerlichen |328| Nationalökonomie abgebracht werden. Als ein Paradebeispiel gegen Karl Büchers Mystifikation der kapitalistischen Volkswirtschaft
     eignete sich die 140jährige Geschichte der Baumwollindustrie, »die sich durch alle fünf Weltteile windet, Millionen von Menschenleben
     hinüberschleudert, hier als Krise, dort als Hungersnot ausbricht, bald als Krieg, bald als Revolution aufflammt, allenthalben
     auf ihrem Wege Goldberge von Reichtum und Abgründe des Elends zurückläßt – ein breiter blutgefärbter Schweißstrom der menschlichen
     Arbeit. Das sind Zuckungen des Lebens, das sind Fernwirkungen, die bis an die Eingeweide der Völker greifen, wovon aber auch
     nicht ein blasser Schimmer in den trockenen Zahlen der internationalen Handelsstatistiken zu lesen ist.« 274
    Radikal prangerte sie die Arbeitslosigkeit als »eine ständige alltägliche Begleiterscheinung des Wirtschaftslebens« an. Die
     heutige Gesellschaft erweise sich gegenüber »dieser furchtbaren Geißel der Arbeiterklasse« als machtlos; sie könne das Übel
     nur mildern, nicht beseitigen. Jedoch sei die Arbeitslosigkeit »kein Element, keine physische Naturerscheinung, keine übermenschliche
     Gewalt, sondern ein rein menschliches Produkt der wirtschaftlichen Verhältnisse« 275 . Gegen den verächtlichen Zynismus eines Malthus und die Heucheleien von Sozialreformern polemisierte sie ebenfalls scharf:
     »Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte der große Prophet der englischen Bourgeoisie, der Pfaffe
Malthus
, mit der ihm eigenen herzerfrischenden Brutalität den Grundsatz proklamiert: ›Wer in einer bereits in Besitz genommenen Welt
     geboren ist, hat, falls er von seinen Verwandten, an die er Forderungsrechte hat, keine Existenzmittel erlangen kann und falls
     die Gesellschaft seine Arbeit nicht braucht, kein Anrecht auf die geringste Menge Nahrungsmittel, und er hat tatsächlich auf
     dieser Welt nichts zu schaffen. An dem großen Bankett der Natur ist für ihn kein Tisch gedeckt. Die Natur bedeutet ihn, sich
     zu drücken, und sie vollzieht rasch ihren eigenen Befehl‹. Die heutige offizielle Gesellschaft mit der ihr eigenen ›sozialreformerischen‹
     Heuchelei verpönt so krasse Offenherzigkeiten. Tatsächlich aber läßt sie schließlich den arbeitslosen Proletarier, ›dessen
     Arbeit sie nicht braucht‹, sich in dieser oder jener Weise, rasch oder langsam, von dieser Welt ›drücken‹, worüber die Zahlen
     der |329| zunehmenden Krankheiten, der Säuglingssterblichkeit, der Verbrechen gegen das Eigentum während der großen Krise quittieren.« 276
    Rosa Luxemburg reflektierte auf diese Weise wesentliche Erscheinungen und Gesetze der kapitalistischen Warenproduktion, die
     Marx im »Kapital« zwar klassisch ausgewiesen habe, die in der Praxis jedoch widersprüchlich, meist verschleiert zutage treten
     und daher konkret und kritisch analysiert werden müssen. 277
    Schließlich erörterte sie in dem Lehrbuch Funktion und Aufgaben der Arbeiterorganisationen, insbesondere der Gewerkschaften
     gegenüber der kapitalistischen Wirtschaftsordnung. Veränderungen im Lohn- und Arbeitszeitgefüge müßten als Machtfragen behandelt
     werden. Die Bourgeoisie beweise das mit der bewußten Ausnutzung der unterschiedlichen Interessenlage der in sich vielschichtig
     abgestuften und auch gegeneinander wirkenden Berufsgruppen der Arbeiterklasse. Außerdem profitiere sie von gemäßigten, bescheidenen,
     sich der sozialistischen Orientierung entgegenstemmenden Gewerkschaften. 278
    Am Warencharakter der Ware Arbeitskraft und am rapiden Sinken des relativen Lohns im Verhältnis zum wachsenden Profit und
     Kapitalbesitz der ausbeutenden Klassen und Schichten könnten selbstverständlich auch mächtigste Gewerkschaften nichts ändern,
     solange sie nicht zum revolutionären, umstürzlerischen Anlauf gegen die kapitalistische Wirtschaft übergingen und damit selbst
     zur sozialistischen Bewegung würden bzw. sich mit deren Zielen identifizierten. Doch das sei nicht die Ultima ratio der Gewerkschaften.
     »Die Hauptfunktion der Gewerkschaften besteht darin, daß sie durch die Erhöhung der Bedürfnisse der Arbeiter, durch ihre sittliche
     Hebung, an

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