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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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ihrem Studienkollegen Julian Marchlewski
     in Dispute zu verwickeln. Anatoli Lunatscharski, der ebenfalls bei Wolf studierte, erinnerte sich, wie sie »mit ihrer bissigen
     und ironischen Beredsamkeit die bürgerlichen Spitzfindigkeiten Wolfs zerschlug, so daß er trotz seiner unbestreitbaren Schlagfertigkeit
     und außergewöhnlichen Gelehrsamkeit vor all seinen entsetzten schweizerischen Zöglingen plötzlich in der Klemme saß, an den
     Worten kaute |42| und aus dem Konzept kam. Ich brachte Rosa damals große Achtung entgegen und schwärmte sogar gewissermaßen für sie. […] Schon
     zu jener Zeit war sie voll und ganz ausgestattet mit gesellschaftswissenschaftlichen Kenntnissen und mit ihrem glänzenden,
     kühlen Verstand, der sich mit einem feurigen revolutionären Temperament vereinte.« 17
    Offensichtlich exponierte sie sich mit so viel Können und Charme, daß Wolf ihr seine Anerkennung nicht versagen konnte. »In
     Zürich lebte ich«, schrieb er 1924, »ganz dem Vorlesungsbetrieb, hielt dem begabtesten der Schüler meiner Züricher Jahre,
     Rosa Luxemburg, die freilich fertig als Marxistin aus Polen und Rußland zu mir gekommen war, die akademischen Steigbügel,
     sie machte ihren staatswissenschaftlichen Doktor (mit einer trefflichen Arbeit über die industrielle Entwicklung Polens) bei
     mir, wie auch die Daszyńska und der später zu politischen Ehren gekommene Marchlewski.« 18
    Ernsthaftigkeit, Fleiß und Eifer wurden auch Leo Jogiches bescheinigt, der wie Rosa Luxemburg von naturwissenschaftlichen
     Studien zu ökonomischen und juristisch-staatswissenschaftlichen übergewechselt war. Die meisten Vorlesungen belegten Jogiches,
     Marchlewski und Rosa Luxemburg bei Julius Wolf und Gustav Vogt, dem ehemaligen Chefredakteur der »Neuen Zürcher Zeitung«.
     Sie hörten gemeinsam theoretische und praktische Nationalökonomie, Allgemeines Staatsrecht, Allgemeine Verwaltungslehre und
     Diplomatische Geschichte seit 1815. 19
    Bronislawa Gutman, Studentin der Biochemie und Mitarbeiterin in einer internationalen Studentenvereinigung, erinnerte sich,
     wie rührend sich Genossen mit der Bitte an sie wandten, Rosa Luxemburg ein Stipendium zu verschaffen, da sie keine Geldmittel
     und auch keinen Arbeitsverdienst hätte. 20
    Ricarda Huch, ebenfalls Studentin an der Züricher Universität und Präsidentin einer Studentinnenvereinigung, imponierte der
     selbstverständliche Zusammenhalt unter den politischen Emigranten. Sie spürte Vorbehalte russischer Studentinnen ihr gegenüber.
     »Diese wünschten, daß Vorträge gehalten würden, an die sich Diskussionen knüpften, während ich für zwangloses Zusammensein
     war. […] Wir wußten, daß die meisten russischen Studenten sehr arm waren und ohne viel Wesen daraus |43| zu machen, sich jede Bequemlichkeit versagten, um studieren zu können, ferner daß diejenigen, die mehr Mittel besaßen oder
     reich waren, den Bedürftigen mitteilten, als verstehe sich das von selbst. Ich bewunderte das, ohne mich zu einem näheren
     Verkehr gedrängt zu fühlen. Mir fehlte damals jedes Verständnis für die Russen und ihre Nöte.« 21
    Leo Jogiches dagegen verstand Rosa Luxemburg ausgezeichnet. Er unterstützte sie finanziell; rasch sprach er polnisch, auch
     sein Interesse an einer Mitarbeit in der polnischen sozialistischen Bewegung wuchs. Da sie in den ersten Jahren ihrer Liebe
     die meiste Zeit gemeinsam in Zürich und anderswo verbrachten, gibt es nur wenige Briefe Rosa Luxemburgs an ihn und leider
     keinen Brief von ihm an sie. Die erhalten gebliebenen Schriftstücke bezeugen, daß sich beide leidenschaftlich liebten und
     ungeduldig aufeinander warteten, wenn sie sich vorübergehend trennen mußten. »Sowie Du am Mittwoch nicht kommst, flitze ich
     mit dem Frühzug nach Genf, Du wirst sehen!« schrieb sie am Montag, dem 20. März 1893, aus Clarens, wo sie wunderbare Wochen
     miteinander verlebt hatten: »Heute nacht weckte mich irgendeine Stimme. Ich horchte – aber ich bin es selbst, die spricht.
     […] Wach geworden durch die eigene Stimme, wurde mir bewußt, daß es ein Traum war, und ich wurde der traurigen Wirklichkeit
     gewahr, daß mein Dziodzio weit, weit ist und ich mutterseelenallein bin. Aber in dem Augenblick stieg jemand laut die Treppe
     nach oben. Noch von dem Traum befangen, kombinierte ich, daß Du da gehst, daß Du mit dem letzten Zug um 1 Uhr nachts gekommen
     bist (im Traum änderte ich den Fahrplan ein bißchen) und daß Du, um mich nicht zu

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