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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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Hugo Haase und Karl Kautsky beurteilten ihre »Akkumulation« skeptisch. Als sie sich bei Franz Mehring für die »Flankendeckung«
     bedankte, stellte sie ganz nüchtern fest: |416| »Daß das Buch im allgemeinen zunächst auf Widerstand stoßen wird, war ich mir wohl bewußt; unser herrschender ›Marxismus‹
     fürchtet leider jeden Gedankenluftzug wie ein alter Gichtonkel, und ich rechne damit, erst viel streiten zu müssen. Es kribbelt
     mir sehr in den Fingern …« 247 Mehrings Rat, nicht gleich gegen jeden einzelnen Rezensenten loszufeuern, sondern das ganze Problem noch einmal in einer
     Broschüre darzustellen, war Rosa Luxemburg sehr willkommen; sie konnte die Streitschrift »Die Akkumulation des Kapitals oder
     Was die Epigonen aus der Marxschen Theorie gemacht haben. Eine Antikritik« jedoch erst während des Krieges im Gefängnis vollenden.
    Die sofort einsetzende lebhafte Diskussion und das Langzeitinteresse an der »Akkumulation«, die viele Einzelauflagen und Übersetzungen
     erfuhr, zeigen, daß Rosa Luxemburg sich einer grundsätzlichen Frage gestellt hatte, die Ökonomen und Politiker seit dem Übergang
     zum 20. Jahrhundert beschäftigte. An der kontroversen Debatte beteiligten sich auch viele Mitstreiter in der internationalen
     Arbeiterbewegung, u. a. Rudolf Hilferding, Karl Radek, Julian Marchlewski, Karl Liebknecht, Anton Pannekoek, Heinrich Cunow,
     Eduard Bernstein, Karl Kautsky und Lenin. Auf dem Chemnitzer Parteitag 1912, dem Rosa Luxemburg wegen Krankheit fernbleiben
     mußte, hatten die deutschen Sozialdemokraten die Imperialismus-Problematik zwar diskutiert, doch in den Berichten rückte die
     Auseinandersetzung über Stichwahltaktik, die Reorganisation der Partei, die Eisenacher Sonderkonferenz revolutionärer Sozialdemokraten
     und der Ausschluß Hildebrands in den Vordergrund. Rudolf Hilferding stellte in der »Neuen Zeit« zufrieden fest, die Debatte
     über den Imperialismus habe gezeigt, wie einig und in welch geschlossener Kampfbereitschaft die Partei der neuesten kapitalistischen
     Entwicklung gegenüberstehe. 248 Das war ein Irrtum, denn unter den Genossen überwog die Tendenz, zu vertuschen, daß sich die Reibungsflächen zwischen den
     imperialistischen Staaten mehren, und Illusionen über die Möglichkeit der friedlichen Lösung imperialistischer Konflikte zu
     verbreiten. So konstatierte Hugo Haase in seinem Referat und in seiner vom Parteitag angenommenen Resolution einerseits immer
     neue kriegerische Konflikte. Andererseits |417| versuchte er zu belegen, daß die Gewaltpolitik der Imperialisten und das Wettrüsten keine gesetzmäßige Erscheinung der kapitalistischen
     Entwicklung seien, sondern vom Willen der Bourgeoisie abhängen. Demzufolge sei auch eine »friedliche Expansion«, eine friedliche
     Einigung über die Aufteilung der Welt denkbar. 249
    »Die Akkumulation des Kapitals« hatte diese Debatte wieder belebt. Otto Bauer erklärte in der Rezension zu Rosa Luxemburgs
     Buch, der Kapitalismus käme auch ohne Expansion aus. Seine Meinung deckte sich mit der inzwischen in der II. Internationale
     vielfach vertretenen Ansicht, die Interessen des Weltkapitalismus verringerten die Gefahr eines europäischen Krieges. 250 Rosa Luxemburg glossierte diese Art von Marx-Interpretation, die sich auch bei Karl Kautsky, Gustav Eckstein und Max Schippel
     nachlesen läßt, in ihrer »Antikritik«: »Mit der Annahme der ›Sachverständigen‹ hört der Sozialismus als Endziel wie der Imperialismus
     als sein vorbereitendes Stadium auf, historische Notwendigkeit zu sein. Jener wird zu einem löblichen Entschluß der Arbeiterklasse
     wie dieser bloß eine Nichtswürdigkeit und Verblendung der Bourgeoisie.« 251 »Der heutige Imperialismus ist nicht, wie im Bauerschen Schema«, erklärte sie weiter, »der erste Auftakt zur Expansion des
     Kapitals, sondern nur der letzte Abschnitt eines geschichtlichen Expansionsprozesses: […] Wie die Entdeckung Amerikas und
     des Seewegs nach Indien nicht bloß eine prometheische Leistung des menschlichen Geistes und der Kultur war, als welches sie
     in der liberalen Legende erscheint, sondern unzertrennlich davon, eine Serie herodischer Massenmorde an den primitiven Völkern
     der Neuen Welt und grandiosen Sklavenhandels mit den Völkern Afrikas und Asiens, so ist in der imperialistischen Schlußphase
     die wirtschaftliche Expansion des Kapitals unzertrennlich von der Serie Kolonialeroberungen und Weltkriege, die wir erleben.
     Das

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