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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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Internationalen Sozialistischen Büros nach Brüssel einzuberufen.
    Die diplomatische Lage und die Absichten der Regierungen, die sich von einer Stunde zur anderen änderten, waren für die Führer
     der sozialistischen Parteien nicht durchschaubar. In Erklärungen |458| forderten sie leidenschaftlich, gegen die verbrecherischen Intrigen der Kriegsstifter zur protestieren und den gemeinsamen
     Friedenwillen des europäischen Proletariats kraftvoller und geschlossener zum Ausdruck zu bringen. In einem Manifest des Parteivorstandes
     der deutschen Sozialdemokratie vom 25. Juli hieß es zwar: »Eine ernste Stunde hat geschlagen, die ernsteste seit Jahrzehnten.
     Gefahr ist im Anzug. Wir sind von einem allgemeinen Krieg bedroht.« Doch noch war der Glaube an eine Lokalisierung des Krieges
     groß.
    Friedrich Ebert fragte am 27. Juli beim Vorstand an: »Sind weitergehende Maßnahmen in Aussicht genommen? Basel kann man doch
     nicht wiederholen.« Im Parteinnern werde es wohl auch Schwierigkeiten geben. »Krieg und die mächtige Wiederbelebung der Arbeiterbewegung
     in Rußland werden die ›Rosaleute‹ doch mit neuen Plänen erfüllen.« 62 Der Parteivorsitzende betrachtete die revolutionären Sozialdemokraten zu Recht als die konsequentesten Kriegsgegner, aber
     auch sie vermochten die öffentliche Meinung nicht wirksam zu beeinflussen. Rosa Luxemburgs Stellungnahmen unterschieden sich
     kaum von anderen Aufrufen in der Parteipresse. In ihrem Artikel »Der Friede, der Dreibund und wir«, der in Nr. 85 der »Sozialdemokratischen
     Korrespondenz« erschien, stellte sie fest, »daß die unaufhörlichen Wettrüstungen und imperialistischen Zettelungen mit eherner
     Notwendigkeit zu dem Ergebnis geführt haben, vor dem die Partei des klassenbewußten Proletariats nachdrücklich und unermüdlich
     gewarnt hat: dicht an den Abgrund eines furchtbaren europäischen Krieges.« 63 Den Anteil der deutschen Regierung an dieser Lage durchschaute sie in diesem Moment nicht. Der Dreibund spiele eine gefährlichere
     Rolle als die deutsche Regierung, die eher kriegsunlustig sei. In erster Linie müsse das zaristische Rußland gezügelt werden,
     am besten durch die Revolution. Von der deutschen Regierung forderte sie, Einfluß auf Österreich auszuüben, um den Frieden
     aufrechtzuerhalten, und, falls der Krieg nicht verhindert werden könnte, sich jeder kriegerischen Einmischung zu enthalten.
     Rosa Luxemburg konnte wie andere Sozialisten damals nicht wissen, daß die Regierung Bethmann Hollweg den Wortlaut des österreichischen
     Ultimatums auf dem Wege der Geheimdiplomatie wesentlich beeinflußt hatte. Aber signalisierten |459| die Unterredungen des preußischen Innenministers mit Hugo Haase und Otto Braun am 26. Juli sowie des Reichskanzlers mit Albert
     Südekum am 28. Juli nicht die Absicht der Regierung, sich einer Stillhaltepolitik und patriotischen Unterstützung der Sozialdemokratie
     zu vergewissern? Steckten nicht ernsthafte Kriegsabsichten dahinter, wenn plötzlich mit den sonst so verteufelten Sozialdemokraten
     beraten wurde?

Brauchen jetzt frischen Mut und kühlen Kopf
    Dienstag, 28. Juli 1914, früh saß Rosa Luxemburg erneut im Zug nach Brüssel.
    An diesem Tag erreichten die Antikriegskundgebungen ihren ersten Höhepunkt. 30   000 nahmen an 27 Massenversammlungen in Berlin teil, 35   000 an 10 Kundgebungen in Dresden, 19 Versammlungen fanden in Hamburg und seinen Vororten statt. 7 000 Personen beteiligten
     sich an Antikriegsdemonstrationen in Bielefeld, 10   000 in Bremen, 3 500 in Bremerhaven, 6 000 in Elberfeld-Barmen, 2 500 in Jena, 6 000 in Kiel, 3 000 in Lübeck, 1 600 in Ludwigshafen,
     500 in Minden und 3 500 in Rüstringen. Die Teilnehmerzahlen der Antikriegskundgebungen in Breslau, Halberstadt, Mühlhausen,
     Solingen und vielen weiteren Orten sind nicht genau bekannt.
    Am Morgen des 29. Juli 1914 wurde die Sitzung des Internationalen Sozialistischen Büros in den Räumen des Instituts für Arbeitererziehung
     im 6. Stock des Maison du Peuple eröffnet. Rosa Luxemburg ahnte wie alle nicht, daß es für sie nach zehnjähriger Mitgliedschaft
     die letzte Beratung in diesem Gremium war.
    Fast alle in der II. Internationale zusammengeschlossenen Parteien hatten Abgesandte geschickt. Laut Protokoll waren anwesend:
     James Keir Hardie, Bruce Glasier, Dan Irving aus Großbritannien, Hugo Haase, Karl Kautsky aus Deutschland, Victor Adler, Friedrich
     Adler aus Österreich, Edmund Burian, Anton Nemec aus Böhmen,

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