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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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Internationale dürfe
     nicht voreilig und künstlich »zusammengeleimt« werden, weil sonst nur heuchlerisches Pfuschwerk zutage gefördert werde.
    Diesen Standpunkt bekräftigte sie in ihrer Antwort auf ein Zirkular des Sekretariats des Internationalen Sozialistischen Büros
     vom 2. Oktober 1914, in dem von den Aufgaben dieses Büros »in der Zeit der Friedensvorbereitung« die Rede war und dessen zeitweilige
     Verlegung nach Holland erwogen wurde. Rosa Luxemburg meinte, daß dem internationalen Sozialismus vor allem »eine ehrliche
     und offene Abrechnung mit seinem eigenen schmachvollen Bankrott in diesem Kriege« 103 not täte. Diesen Standpunkt teilte sie am 10. November 1914 auch Camille Huysmans mit. »Der Zusammenbruch der Internationale
     ist ebenso vollständig wie furchtbar! Widersetzen wir uns zumindest allen Bemühungen, an ihre Stelle eine Farce und ein Trugbild
     zu setzen. Eine Neugründung kann meiner Ansicht nach erst nach einer strengen und offenen Kritik des begangenen Verrats, also
     nach dem Krieg, erfolgen.« 104 Er möge auf seinem Posten bleiben.
    |476| Für die Sozialisten schien das Kriegsende in diesen Wochen nicht in weiter Ferne zu liegen, auch für Rosa Luxemburg nicht.
     Ob sie sich auf die »Freiheit« freuen durfte, war ungewiß, denn am 22. Oktober 1914 hatte das Reichsgericht das Urteil des
     Frankfurter Landgerichts vom Februar 1914 über ein Jahr Gefängnis bestätigt und eine Revision verworfen. Ein Gnadengesuch
     kam für Rosa Luxemburg nicht in Betracht. Die Aufforderung zum Haftantritt konnte jeden Tag eintreffen, vielleicht müsse sie
     auch erst einrücken, wenn sie unbequem werde, spöttelte sie in einem Brief an Kostja Zetkin. 105
    So oder so war Eile und Entschlossenheit geboten.
    Am 25. Oktober hielt Rosa Luxemburg den ersten von insgesamt 8 Vorträgen in der Arbeiterbildungsschule in Berlin-Neukölln
     über »Nationalökonomie. Entstehung und Entwicklung des Kapitals«. In rechtssozialdemokratischen Kreisen war man beunruhigt
     ob der »Wühlereien von Ledebour, Liebknecht und Luxemburg«. Sie wurden verdächtigt, »planmäßig eine Aktion des Berliner Radikalismus
     gegen die Reichstagsfraktion und gegen alle Parteigenossen, die sich in diesem Krieg auf seiten des Vaterlandes gestellt haben«,
     vorzubereiten. 106
    Weder die Reichsregierung noch die sozialdemokratischen Leitungsgremien bezweifelten, daß Rosa Luxemburg das geistige Oberhaupt
     der Opposition war.
    Mit besonderem Argwohn wurde sie von Karl Kautsky beobachtet, zumal sie immer wieder gegen ihn polemisiert hatte, jüngst gegen
     seine Auffassung, die Internationale sei im »wesentlichen ein Friedensinstrument« 107 . Wie tief die Gräben zwischen dem Herausgeber der »Neuen Zeit«, die Rosa Luxemburg als theoretisches Organ von Marxisten
     »für erledigt hielt«, und den Sozialdemokraten um Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht waren, dokumentiert Kautskys Brief an
     Victor Adler von Ende November 1914: »Ich stehe mit dem Lager der äußersten Linken in keiner Verbindung. Aber aus verschiedenen
     Indizien nehme ich an, daß Rosa fieberhaft daran arbeitet, die Partei zu spalten. Auch sie will lieber der erste im Dorf sein,
     als der zweite in Rom; kann sie die große Partei nicht dirigieren, will sie eine kleine haben, die auf sie schwört. Sie wird
     wohl bald ihre Haft antreten müssen und möchte offenbar |477| die Spaltung vorher bewerkstelligen. Sie fürchtet wahrscheinlich, wenn sie einmal sitzt, würde die jetzige kritische Kriegsperiode
     ohne Spaltung vorübergehn und wenn sie dann heraußen ist, findet sie im Frieden eine einige, geschlossene Partei, in der für
     sie keine Geschäfte mehr zu machen sind.« 108
    Auch in schwierigen Situationen verzichtete Rosa Luxemburg nicht auf Vergnügungen. Im Oktober 1914 übersetzte sie »Mateo Falcone«
     von Prosper Merimée, eine Erzählung aus ihrem geliebten Korsika, für die Kinderbeilage der »Gleichheit«. Als sie Stendhals
     »Kartause von Parma« zur Hand nahm, lebte sie sofort auf. Entspannung fand sie, wenn sie in Südende über die Felder streifte
     und sich große bunte Sträuße holte. Da nach Kriegsbeginn einige Zeit keine Konzerte gegeben wurden, mußte sie die Musik vorübergehend
     entbehren. Um so mehr genoß sie Hans Kaustkys Klavierspiel. Manches Mal erschrak sie über den Zwiespalt ihrer Empfindungen:
     »Gestern bekam ich einen Logenplatz zur Philharmonie: Kantate von Bach und Deutsches Requiem von Brahms, Ochs dirigierte.
     Bach

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