Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.
ärgerlich. Da auch Lensch für diese Aktion nicht zu haben war, gingen wir ohne
Ergebnis auseinander. […] Die Folge dieser Besprechung war, daß wir zwei, Rosa und ich, nun allein vorgingen …« 90 .
Noch im August plante Rosa Luxemburg, den revolutionären Kräften eine breitere publizistische Tribüne zu schaffen, denn alle
Versusche, wieder in engeren Kontakt mit der »Leipziger Volkszeitung« zu treten, waren gescheitert. Aufgabe der neuen Zeitung
oder Zeitschrift sollte die »Selbstverständigung über die Kämpfe der Zeit« 91 sein. Zugleich sollte sie alle Kräfte sammeln und vereinigen, die sich als revolutionäre Marxisten verstanden. Es mußte endlich
etwas zuwege gebracht werden, denn: Nirgends »ist die Organisation des Proletariats so gänzlich |470| in den Dienst des Imperialismus gespannt, nirgends wird der Belagerungszustand so widerstandslos ertragen, nirgends die Presse
so geknebelt, die öffentliche Meinung so erwürgt, der wirtschaftliche und politische Klassenkampf der Arbeiterklasse so gänzlich
preisgegeben wie in Deutschland«, schrieb Rosa Luxemburg einige Zeit später zur Einschätzung der Situation bei Kriegsbeginn. 92
Vom 8. bis etwa 17. September 1914 hielt sich Rosa Luxemburg bei Clara Zetkin in Sillenbuch auf. Hier reifte der Entschluß,
ausländischen Genossen ihren Standpunkt zu signalisieren. Eine Erklärung, in der sich Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Franz
Mehring und Clara Zetkin von rechtssozialdemokratischen Auffassungen Albert Südekums und Richard Fischers und deren Fehlinformationen
im Ausland distanzierten, ging am 10. September an die Redaktionen einiger schwedischer, italienischer und Schweizer Parteizeitungen.
Die vier Unterzeichner mußten viel Geduld aufbringen und ihre Freunde wiederholt animieren, bis ihre Erklärung publik gemacht
wurde.
Am 11. September kamen Clara Zetkin, Rosa Luxemburg, Paul Levi, Edwin Hoernle, Fritz Westmeyer und Artur Crispien zu dem Ergebnis:
Fühlung nehmen und Verbindungen anknüpfen. Resultat einer ähnlichen Besprechung am 18. September in Frankfurt (Main), an der
nach der Tagebuchnotiz von Artur Crispien außer ihm Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Paul Levi, Robert Dißmann (Frankfurt
a. M.), Schnellbacher und Dr. Wagner (Hanau), Peter Berten (Düsseldorf) und Carl Minster (Duisburg) teilnahmen, war die Losung,
»die Rettung der Internationale vorzubereiten, die Schmach von der zertrümmerten Internationale zu tilgen«. 93 In diesem Sinne war auch Rosa Luxemburgs Polemik gegen das »Hamburger Echo« unter dem Titel »Gegen den Franktireurkrieg«
in der »Sozialdemokratischen Korrespondenz« vom 17. September gehalten.
Rosa Luxemburg beschrieb als eine der ersten mit eindringlichen Worten die grauenhaften materiellen und ideellen Verwüstungen
des Krieges. Am 30. Septemer 1914 hieß es in ihrem Beitrag »Trümmer«: »Der zermalmende Zug des gegenwärtigen Weltkrieges hinterläßt
allüberall auf weiten Länderstrecken und Meeren zunächst nichts hinter sich als Trümmer. |471| Trümmer von Städten und Dörfern, Trümmer von zerschmetterten Festungen, Geschützen und Gewehren, Trümmer von riesigen Schlachtschiffen
und kleinen Torpedobooten. Und dazwischen Trümmer von zerschmettertem Menschenglück. Hekatomben zerfetzter Menschenleiber,
gemischt mit grauenhaftem Aas verendeter Pferde, Hunde und verhungertem, verkohltem Vieh. […] Der gegenwärtige Weltkrieg übertrifft
jedoch alles bisherige an Dimensionen, an Wucht, an tiefgreifender Wirkung. Nie waren so viele Völker, Länder, Weltteile von
den Flammen des Krieges auf einmal umfaßt, nie waren so gewaltige technische Mittel in den Dienst der Vernichtung gespannt,
nie waren so reiche Schätze der materiellen Kultur dem höllischen Sturm ausgesetzt. Der moderne Kapitalismus heult in dem
jetzigen Weltorkan sein satanisches Triumphlied: Nur er vermochte in wenigen Jahrzehnten die schimmernden Reichtümer und die
glänzenden Kulturwerke aufzutürmen, um sie dann in wenigen Monaten mit den raffiniertesten Mitteln in ein Trümmerfeld zu verwandeln.
Nur er hat es fertiggebracht, den Menschen zum Fürsten der Länder, Meere und Lüfte, zum lachenden Halbgott und Beherrscher
aller Elemente zu machen, um ihn dann unter den Trümmern der eigenen Herrlichkeit in selbstgeschaffener Qual wie einen Bettler
elend verrecken zu lassen. […] Aber jeder Krieg vernichtet nicht bloß leibliche Güter, nicht bloß materielle Kulturwerte.
Er
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