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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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»erbärmliche Umlerner«. In Widerstreit begab sich Rosa Luxemburg
     aber auch erneut mit Karl Kautsky und seinen Anhängern. Lenin unterzog die Junius-Broschüre einer besonders heftigen Kritik,
     bemängelte ihre |496| Aussagen zum Imperialismus, Opportunismus und Kautskynismus, zur nationalen Frage und zum Antikriegsprogramm, obwohl er einräumte,
     daß sie »im großen und ganzen eine ausgezeichnete marxistische Arbeit« sei. 35
    Die Kontroversen über Rosa Luxemburgs Position zu den Ursachen und Folgen der Spaltung der Arbeiterbewegung sind nie verebbt.
     Von kommunistischer Seite wurden Rosa Luxemburgs »großen Fehlern« jahrzehntelang Lenins Weisheiten entgegengestellt. Der Vorwurf,
     sie habe nicht rechtzeitig eine Trennung der Linken von der Sozialdemokratischen Partei herbeiführen und die Kommunistische
     Partei Deutschlands gründen helfen, Verkennung der Rolle der Partei, insbesondere der Partei neuen Typs, Überschätzung der
     Spontaneität und Unterschätzung des Opportunismus sowie dessen Zusammenhang mit dem Imperialismus verfestigten sich zu Dogmen.
     Sozialdemokraten wiederum sprachen der konsequent um den Zusammenhalt der Linken und die Herausbildung der Spartakusbewegung
     ringenden Politikerin wesentliche Mitschuld an der Spaltung zu. Die polemische Schärfe, mit der sie den Verrat rechter sozialdemokratischer
     Führer und Parlamentarier an den Idealen der revolutionären deutschen Sozialdemokratie entlarvte, wurde von Sozialdemokraten
     als persönliche Beleidigung aufgefaßt und mit tiefem Mißfallen als Zeichen von Realitätsfremdheit und fanatischem Revoluzzertum
     gedeutet. Unversehens wurde durch solche politisch-ideologische Prämissen ein unvoreingenommener Zugang zu Rosa Luxemburgs
     Gedanken erschwert bzw. blockiert.
    Schon während der Bernsteindebatte hatte Rosa Luxemburg hervorgehoben, daß der Antimilitarismus unverrückbar zum Wesen sozialdemokratischen
     Demokratieverständnisses in der Innen- und Außenpolitik gehöre. Vor 1914 hatte sie in den Debatten über die Stellung zum Krieg
     stets darauf vertraut, daß im Ernstfall die Masse der Sozialdemokraten im Geiste von Bebel und Liebknecht genügend Einsicht
     und Kraft besitze, jene, die nicht entschieden gegen Militarismus und Krieg auftraten, zur Antikriegshaltung zu zwingen oder
     beiseite zu schieben. Als 1914 das Gegenteil eintrat, verzweifelte sie fast. Im Gegensatz zu führenden Sozialdemokraten war
     ihr klar, daß nach dem Kriege keine bedeutende Erweiterung demokratischer |497| Freiheiten als Lohn für vaterländisches Verhalten im Kriege zu erwarten sei. »Aber noch nie in der Geschichte sind beherrschten
     Klassen politische Rechte als Trinkgeld für ihr den herrschenden Klassen genehmes Verhalten von diesen verliehen worden. Im
     Gegenteil ist die Geschichte mit Beispielen des schnöden Wortbruchs der Herrschenden selbst in solchen Fällen gesät, wo feierliche
     Versprechungen vor dem Kriege gemacht worden waren. In Wirklichkeit hat die Sozialdemokratie durch ihr Verhalten nicht die
     künftige Erweiterung der politischen Freiheiten in Deutschland gesichert, sondern die vor dem Kriege besessenen erschüttert.
     Die Art und Weise, wie in Deutschland die Aufhebung der Preßfreiheit, der Versammlungsfreiheit, des öffentlichen Lebens, wie
     der Belagerungszustand nun lange Monate ohne jeden Kampf, ja mit teilweisem Beifall gerade von sozialdemokratischer Seite
     ertragen wird, ist beispiellos in der Geschichte der modernen Gesellschaft.« 36
    Rosa Luxemburg verwies auf konkrete Forderungen, die bis zu Marx’, Engels’ und Lassalles Losung der einigen großen deutschen
     Republik zurückreichten und wichtige der jüngsten Erfahrungen berücksichtigten. Um dafür einen energischen Kampf führen zu
     können, müßten die revolutionären Kräfte in der sozialdemokratischen Bewegung reaktiviert werden. Daß der Krieg als organisiertes
     riesenhaftes Morden seit jeher Menschen im Rausch braucht und dieser Rausch bewußt erzeugt wird, da der »Bestialität der Praxis«
     die »Bestialität der Gedanken und Gesinnung« entsprechen müsse, stand für Rosa Luxemburg außer Zweifel. Sie empörte, wie im
     jetzigen Kriege Sozialdemokraten mit für geistiges Narkotikum sorgten. 37
    Dennoch war sie davon überzeugt, daß die Sozialdemokratische Partei ihre Krise überwinden und wieder zu einer aktiven Antikriegskraft
     werden könne, wenn die Hauptverantwortlichen ihren Kurs vom 4. August 1914 korrigierten und die Mehrheit

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