Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.
Gewalt der bürgerlichen Gegenrevolution muß die revolutionäre Gewalt des Proletariats entgegengestellt
werden. Den Anschlägen, Ränken, Zettelungen der Bourgeoisie die unbeugsame Zielklarheit, Wachsamkeit und stets bereite Aktivität
der proletarischen Masse. Den drohenden Gefahren der Gegenrevolution die Bewaffnung des Volkes und Entwaffnung der herrschenden
Klassen.« 52 Das hieß jedoch nicht, Rosa Luxemburg hätte plötzlich »roten« Terror befürwortet, wie ihr seit eh und je unterstellt wird.
Im Gegenteil, Lynchjustiz, Mord und andere menschenverachtende Methoden lehnte sie grundsätzlich ab. Selbst ein guter Zweck
heilige diese Mittel nicht, sondern schade den sozialistischen Ideen ungeheuer. Die proletarische Revolution brauche für die
Realisierung ihrer Ziele kein Blutvergießen, keinen Terror und habe keinen Meuchelmord nötig. 53
Die Gegenrevolution zwinge die Arbeiterklasse jedoch, sich für alle Formen des Klassenkampfes zu rüsten. »Eine solche Ausrüstung
der kompakten arbeitenden Volksmasse mit der ganzen politischen Macht für die Aufgaben der Revolution, das ist die Diktatur
des Proletariats und deshalb die wahre Demokratie. Nicht wo der Lohnsklave neben dem Kapitalisten, der Landproletarier neben
dem Junker in verlogener Gleichheit sitzen, um über ihre Lebensfragen parlamentarisch zu debattieren, dort, wo die millionenköpfige
Proletariermasse die ganze Staatsgewalt mit ihrer schwieligen Faust ergreift, um sie, wie der Gott Thor seinen Hammer den
herrschenden Klassen aufs Haupt zu schmettern, dort allein ist die Demokratie, die kein Volksbetrug ist.« 54
In 25 Punkten faßte sie sofortige Maßnahmen zur Sicherung der Revolution im politischen, sozialen, wirtschaftlichen und internationalen
Bereich als Forderungen des Spartakusbundes zusammen. Die wichtigsten waren: Entwaffnung der Konterrevolution und Bewaffnung
des Volkes als Arbeitermiliz und einer Roten Garde als Kerntruppe; Einsetzung eines Revolutionstribunals zur Verurteilung
der Hauptschuldigen am Kriege und aller Verschwörer der Gegenrevolution; Schaffung einer einheitlichen deutschen sozialistischen
Republik; alle |604| Macht den Räten; einschneidende Sozialgesetzgebung zur Verkürzung des Arbeitstages und gründliche Umgestaltung des Ernährungs-,
Wohnungs- und Erziehungswesens; sofortige Kontakte zu den Bruderparteien des Auslands, um die sozialistische Revolution auf
internationale Basis zu stellen und den Frieden durch das Weltproletariat zu gestalten und zu sichern. 55
Für die Wirtschaft forderte sie: »1. Konfiskation aller dynastischen Vermögen und Einkünfte für die Allgemeinheit; 2. Annullierung
der Staats- und anderer öffentlicher Schulden sowie sämtlicher Kriegsanleihen, ausgenommen Zeichnungen von einer bestimmten
Höhe an, die durch den Zentralrat der Arbeiter- und Soldatenräte festzusetzen ist; 3. Enteignung des Grund und Bodens aller
landwirtschaftlichen Groß- und Mittelbetriebe; Bildung sozialistischer landwirtschaftlicher Genossenschaften unter einheitlicher
zentraler Leitung im ganzen Reiche; bäuerliche Kleinbetriebe bleiben im Besitze ihrer Inhaber bis zu deren freiwilligem Anschluß
an die sozialistischen Genossenschaften; 4. Enteignung aller Banken, Bergwerke, Hütten sowie aller Großbetriebe in Industrie
und Handel durch die Räterepublik; 5. Konfiskation aller Vermögen von einer bestimmten Höhe an, die durch den Zentralrat festzusetzen
ist; 6. Übernahme des gesamten öffentlichen Verkehrswesens durch die Räterepublik; 7. Wahl von Betriebsräten in allen Betrieben,
die im Einvernehmen mit den Arbeiterräten die inneren Angelegenheiten der Betriebe zu ordnen, die Arbeitsverhältnisse zu regeln,
die Produktion zu kontrollieren und schließlich die Betriebsleitung zu übernehmen haben; 8. Einsetzung einer zentralen Streikkommission,
die unter ständigem Zusammenwirken mit den Betriebsräten der beginnenden Streikbewegung im ganzen Reich einheitliche Leitung,
sozialistische Richtung und die kräftigste Unterstützung durch die politische Macht der Arbeiter- und Soldatenräte sichern
soll.« 56 Karl Radek berichtete später, die führenden Mitglieder des Spartakusbundes hätten Rosa Luxemburgs Entwurf einvernehmlich
diskutiert. 57
Einen Tag nachdem die Rote Fahne »Was will der Spartakusbund?« von Rosa Luxemburg veröffentlicht hatte, sah die »Freiheit«
in diesem Programmentwurf eine »phantastische Utopie« und eine »gefährliche
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