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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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Anwesenden erklärten sich bei nur drei Gegenstimmen
     in einer Resolution mit Rosa Luxemburgs Rede einverstanden und sprachen sich gegen die Einberufung der Nationalversammlung
     aus. Sie forderten »die Übergabe der ganzen Macht an die A.-u. S.-Räte, deren erste Pflicht ist, die Verräter der Arbeiterklasse
     und des Sozialismus: Scheidemann-Ebert und Gen., von der Regierung zu verjagen, das arbeitende Volk zum Schutze der Revolution
     zu bewaffnen und mit aller Energie durchgreifende Maßnahmen zur Sozialisierung der Gesellschaft zu ergreifen« 45 . Aus solchen Reaktionen schlußfolgerte sie in übersteigertem Optimismus, daß die traditionell auf SPD und USPD orientierten
     Massen sich zugunsten des von ihr und Karl Liebknecht geführten Spartakusbundes umlenken ließen und damit auch die USPD stärker
     unter linken Einfluß käme. In diesem schwierigen Ringen hoffte sie auf die entscheidende Wirkung klarer Programmatik und das
     Charisma integrer Persönlichkeiten. Das Spannungsverhältnis zwischen objektiven und subjektiven Bedingungen der Revolution,
     zwischen häufig wechselnder Mentalität und Spontaneität der Massen und widersprüchlichem Verhalten des Rates der Volksbeauftragten,
     des Vollzugsrates der Arbeiter- und Soldatenräte und der verschiedenen Arbeiterparteien und -organisationen ließ sich durch
     persönliches Engagement jedoch kaum beeinflussen.
    Ende November bat »Die junge Garde«, Zentralorgan der Sozialistischen Jugend Deutschlands, Rosa Luxemburg um einen Artikel
     für die Ausgabe vom 4. Dezember. Sie entschloß sich, darin an die arbeitende Jugend zu appellieren, »jetzt schon zu zeigen,
     daß sie der großen Aufgabe als Trägerin der Zukunft der Menschheit gewachsen ist. Es ist eine ganze alte Welt noch zu stürzen«,
     schrieb sie, »und eine ganze neue aufzubauen.« Während der Revolution bestätige jeder Tag ihre Erkenntnis, daß die Umgestaltung
     der Gesellschaft eine sehr schwierige und langwierige Aufgabe für die Arbeiterklasse |600| sein würde, bei deren Lösung mit dem gefährlichsten Widerstand zu rechnen sei. Wirtschaft, Technik, hohe Arbeitsproduktivität
     ohne kapitalistische Antreibermethoden, »das Denken für die ganze Gesellschaft« seien eher schwieriger zu entwickeln als die
     unmittelbare revolutionäre Erhebung. Doch eines bedinge das andere, hob Rosa Luxemburg in ihrem Artikel hervor, den sie »Sozialisierung
     der Gesellschaft« betitelt hatte: »Mit faulen, leichtsinnigen, egoistischen, gedankenlosen und gleichgültigen Menschen kann
     man keinen Sozialismus verwirklichen. Sozialistische Gesellschaft braucht Menschen, von denen jeder an seinem Platz voller
     Glut und Begeisterung für das allgemeine Wohl ist, voller Opferfreudigkeit und Mitgefühl für seine Mitmenschen, voller Mut
     und Zähigkeit, um sich an das Schwerste zu wagen. […] Indem wir tüchtige Kämpfer der heutigen Revolution werben, schaffen
     wir künftige sozialistische Arbeiter, wie sie als Grundlage einer neuen Ordnung sein müssen.« 46

Wie im Hexenkessel
    Anfang Dezember 1918 zeigte die Konterrevolution, zu der sich immer mehr monarchistische und militaristische Kreise in Freiwilligenverbänden
     unter Führung reaktionärer Offiziere zusammenrotteten, daß sie keine Skrupel hatte, mit brutalsten Mitteln gegen die Revolutionäre
     vorzugehen und die Erhebung in Blut zu ersticken. An Litfaßsäulen, Mauern und Häuserwänden tauchten immer häufiger nationalistische
     und antibolschewistische Rufmord-Parolen auf. So hieß es in einem Hetzflugblatt: » Karl Liebknecht, ein gewisser Levi und die maulgewaltige Rosa Luxemburg , die nie vorm Schraubstock oder Werkbank gestanden haben, sind dabei, das wieder zu ruinieren, wovon wir und unsere Väter
     träumten. Schon regt es sich im Lager der Bourgeoisie, der Geldbeutel und endlich abgeschafften Militaristen! Und wenn dem
     Bewohner nur erster Hotels, dem Herrn Karl Liebknecht und ähnlichen freiwilligen und unfreiwilligen Handlangern der Reaktion nicht allerschleunigst ihr schädliches Hand- und Maulwerk gelegt wird, müssen wir bald unsere schönsten und berechtigten
     Hoffnungen begraben, wenn wir |601| nicht überhaupt verhungern müssen, da der Bolschewismus der Trotzki, Radek, Joffe, Liebknecht, Levi, Luxemburg dem Frieden im Wege steht …« 47
    Einen ersten Putschversuch unternahmen konterrevolutionäre Truppen am 6. Dezember. Ebert sollte zum Präsidenten der Republik
     ausgerufen und der Vollzugsrat der Arbeiter- und

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