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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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täuschten. Nach vier Jahren Krieg wollten die meisten Frieden, in Ruhe arbeiten, sicher wohnen und sich vernünftig ernähren
     und kleiden können. Sie fürchteten, eine zu weit vorangetriebene Revolution würde zu neuem Blutvergießen, Chaos und Unsicherheit
     führen. Die von der Gegenrevolution verbreiteten Schreckensmeldungen über die Herrschaft der Bolschewiki in Rußland vergrößerten
     die Ängste vieler Bürger. Rosa Luxemburg, die zutiefst davon überzeugt war, daß nur eine vom Volkswillen, von der Mehrheit
     der Bevölkerung getragene Revolution Erfolg verspräche, und eine mit diktatorischen Methoden entfachte Minderheitsrevolte
     strikt ablehnte, fand für ihr Lebensideal keine Massenbasis. Wie die Vorgänge um den Reichsrätekongreß Mitte Dezember zeigten,
     war ihr sogar der Zugang zu Foren versperrt, auf denen sie ihre Ansichten vor aktiven Teilnehmern an der Revolution hätte
     darlegen können. Verzweifelt versuchte sie gemeinsam mit der Spartakuszentrale die USPD-Führung zu bewegen, einen Parteitag
     einzuberufen. Am 22. Dezember richtete Wilhelm Pieck im Auftrag der Zentrale des Spartakusbundes erneut diese Forderung an
     den Vorstand der USPD. Rosa Luxemburg war erschüttert, als sie am 24. Dezember in der »Freiheit« las, die USPD-Führung sei
     absolut gegen einen Parteitag vor den Wahlen zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919. Die Lage in Berlin spitze sich immer
     mehr zu, ließ sie Clara Zetkin einen Tag darauf wissen und meinte damit sowohl das Verhältnis zur Ebert-Scheidemann-Regierung
     als auch die Beziehungen innerhalb der USPD. »Die Partei ist in voller Auflösung«, meinte sie. »Ströbel, Haase, Bock (!),
     die ›Freiheit‹ fordern offen eine ›Abgrenzung nach links‹, d. h. gegen uns. Andererseits ist die Verschmelzung zwischen USP
     und den Scheidemännern in der Provinz in vollem Gange.« 63 Von einer »Auflösung« oder Zersetzung der USPD konnte jedoch keine Rede sein; das war ein Trugschluß Rosa Luxemburgs.
    Am 25. Dezember saß sie zum erstenmal seit ihrer Entlassung aus dem Breslauer Gefängnis am Schreibtisch in ihrer |608| Wohnung in Berlin-Südende. »Wieviel lieber wäre ich zu Dir gefahren!« schrieb sie Clara Zetkin. »Aber davon kann keine Rede
     sein, da ich an die Redaktion angekettet bin […]. Dazu fast jeden Tag vom frühen Morgen Konferenzen und Besprechungen, dazwischen
     noch Versammlungen, und zur Abwechslung alle paar Tage die dringende Warnung von ›amtlichen Stellen‹, daß Karl [Liebknecht]
     und mir von Mordbuben aufgelauert wird, so daß wir nicht zu Hause schlafen sollen, sondern jede Nacht anderswo Obdach suchen
     müssen, bis mir die Sache zu dumm wird und ich einfach wieder nach Südende zurückkehre. So lebe ich im Trubel und in der Hatz
     seit dem ersten Augenblick und komme nicht zur Besinnung.« 64
    Am 24. Dezember hatten konterrevolutionäre Truppen die Volksmarinedivision angegriffen und am Schloß und Marstall erneut ein
     Blutbad angerichtet. Dagegen protestierten rund 30   000 Arbeiter und Soldaten am ersten Feiertag. Empörte Demonstranten besetzten spontan das »Vorwärts«-Gebäude. »Man fand darin
     18 Maschinengewehre und ein Panzerauto versteckt!« 65 , berichtete Rosa Luxemburg der fernen Freundin. Sie müsse schleunigst wieder in die Stadt. So ginge es alle Tage. Sie habe
     kaum Zeit, darüber nachzudenken, wie es ihr gehe. »C’est la révolution.« 66
    Am 27. Dezember lud die »Rote Fahne« zur Reichskonferenz des Spartakusbundes ein. Auf ihr wollte die Zentrale des Spartakusbundes
     zur Krise der USPD, zum Programmentwurf von Rosa Luxemburg, zur Nationalversammlung und zur geplanten Konferenz der sozialdemokratischen
     Parteien in Bern Stellung nehmen. 67
    Rosa Luxemburg schrieb am 29. Dezember in der »Roten Fahne«, den Spartakusbund trenne ein Abgrund von den Ebert-Scheidemann-Leuten
     und von den Unabhängigen. »Sie sind politisch für die Revolution, für das Proletariat erledigt. […] Revolutionen kennen keine
     Halbheiten, keine Kompromisse, kein Schleichen und Sichducken, Revolutionen brauchen offene Visiere, klare Prinzipien, entschlossene
     Herzen, ganze Männer. Die jetzige Revolution, die erst in ihrem Anfangsstadium steht, die gewaltige Perspektiven vor sich
     und weltgeschichtliche Probleme zu bewältigen hat, muß einen untrüglichen Kompaß haben, der in jedem Teilstadium des Kampfes, |609| in jedem Siege und in jeder Niederlage unbeirrbar nach demselben großen Ziele weist: nach der

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