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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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Chefredakteur nieder, denn sie wollte keine Einschränkungen ihrer Handlungsfreiheit
     in Kauf nehmen. Ihren Entschluß teilte sie in der »Sächsischen Arbeiter-Zeitung« vom 5. November 1898 mit. Ignatz Auers Kommentar
     dazu war: Die Erklärung beweise nur, »daß sie, wie alle Weiber, eitel u. rechthaberisch ist. Sie keift, kann aber nicht vertragen,
     daß ihr geantwortet wird.« 92 Daß sich ihr Nachfolger, Georg Ledebour, länger behaupten würde, glaubten Mehring und Kautsky nicht. Über deren Meinung,
     sie würde gewiß nach Dresden zurückkehren und »dann
eine Diktatur ausüben
können«, war sie baß erstaunt, 93 hatte sich doch |109| die Pressekommission ganz auf die Seite der Redaktionskollegen gestellt. »Formell handelte es sich nur um das ›Ausmerzen‹
     des ›Tones‹, tatsächlich hätte ich bald nicht mehr meine Artikel und – was sehr wichtig – auch Parvussche Artikel bringen
     können.« 94
    Rosa Luxemburg konnte sich schwer in ein solches von Wallfisch als familiär bezeichnetes Gremium einfügen. Vor allem aber
     wollte sie in den Auseinandersetzungen mit dem Revisionismus unabhängig bleiben. Als Gradnauer sie, vor Übernahme der Redaktionsgeschäfte,
     mit der Bemerkung verunsichern wollte, sie solle nicht vergessen, »wie ihr eigener Versuch, ein Parteiblatt zu leiten, binnen
     kürzester Frist mit hurtigem Beinemachen tragikomisch endete« 95 , erwiderte sie bissig: »Es gibt nämlich zweierlei organische Lebewesen: solche, die Rückgrat haben und deshalb auch
gehen
, zuweilen sogar laufen. Es gibt andere, die keines haben, deshalb nur kriechen und – kleben.« 96
    Rosa Luxemburg kehrte nach Berlin zurück. Ihre Familie in Warschau war zufrieden, daß sie die Redaktion aufgegeben hatte,
     denn sie fürchtete um ihre Gesundheit und hoffte, Rosa fände nun mehr Zeit, sich vor allem um ihren Vater zu kümmern. Sie
     zog wieder in die Cuxhavener Str. 2, dieses Mal ins Parterre. Sie beruhigte Leo Jogiches, der nach Zürich abgefahren war,
     nachdem er mit ihr einige Wochen zwischen Stuttgart, Dresden und München hin- und hergependelt war: »Mein Zimmer ist sehr
     hübsch und angenehm, komplett eingerichtet, nur leider ist es dunkel und geht auf den Hof. Aber da ist nichts zu machen, ich
     habe jetzt weder Kraft noch Zeit, zu suchen und wieder umzuziehen. Dabei ist die Frau goldig – sie pflegt mich wie eine Mutter,
     und das ist jetzt sehr wichtig für mich.« 97 Außerdem sei sie so gezwungen, täglich an die frische Luft zu gehen.
    Rosa Luxemburg lebte zu dieser Zeit von Honoraren und den Zuwendungen ihres Lebensgefährten. Deshalb mußte nun wieder nach
     neuen journalistischen Verdienstmöglichkeiten gesucht werden. Ledebour bat sie um Artikel für die »Sächsische Arbeiter-Zeitung«,
     doch sie ließ sich zunächst nur auf von ihr nicht gezeichnete Beiträge für die Rubrik »Wirtschaftliche Rundschau« ein. In
     ihnen konzentrierte sie sich 1. auf aktuelle Erscheinungen rein ökonomischer Natur, 2. auf wichtige Neuheiten |110| auf dem Gebiet der Technik, die etwas über die allgemeine Entwicklung des Kapitalismus aussagten, und 3. auf die Sozialpolitik,
     die über die Fortschritte der Sozialreform oder des Klassenkampfes informierte. Vielfältig waren ihre Themen. Sie schrieb
     über die Kartellwirtschaft in Nordamerika, über die Zollpolitik der USA in Kuba, über die Hungerrevolten in Italien. Für je
     eine »Wirtschaftliche Rundschau« erhielt sie ein Honorar von 20 Mark, die sie meistens dringend brauchte.
    Die Texte für die Rundschaubeiträge lieferte sie so ab, daß sie sonnabends erscheinen konnten. Das Material suchte sie sich
     aus Zeitungen und Zeitschriften zusammen, wie sie Leo Jogiches berichtete: »Ich gehe immer schon von Montag an in die Bibliothek
     und lese alle Revuen durch, welche sich irgendwie eignen (und davon gibt es eine Menge), das konntest Du teilweise aus meinem
     Artikel über Amerika in der ›Leipziger Volkszeitung‹ ersehen. Aber es geht darum, daß ich häufig aus allen rein gar nichts
     herausholen kann, teilweise legen sie auch die frischen Nummern unregelmäßig aus, und ich bekomme zwei Wochen lang immer dieselben
     Artikel in die Finger.« 98
    Karl Kautsky lud sie vorläufig nicht zur Zusammenarbeit in der »Neuen Zeit« ein, obwohl er und Bebel stets nach ihren großen
     und kleinen Plänen fragten. Rosa Luxemburg begann, ihre Arbeit neu zu organisieren, abonnierte neue Blätter und recherchierte
     weiter in den Bibliotheken. Über

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