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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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Situation der Polen im deutschen Kaiserreich. Sie enthüllte die preußische Schul-,
     Kultur- und Siedlungspolitik als verwerfliche Gewaltakte, das Polentum zu entwurzeln und alle Polen einzudeutschen. Es gelte
     aber, sich als Polen nicht gegen die Deutschen aufzulehnen, sondern gegen die Schuldigen an dieser zivilisatorischen Schande:
     die preußische Regierung und die herrschende Schicht der deutschen Gesellschaft, die Hakatisten, die »Germanisierungs«-Politiker
     in den konservativen, liberalen und freisinnigen Parteien und Vereinen aus Kreisen des Adels, der Industriemillionäre, der
     Kohlenbarone und der Großgrund- und Gutsbesitzer, die auch auf die katholischen Zentrumsabgeordneten von Einfluß seien. Die
     Sozialdemokratie sei die einzige Partei in Deutschland, die gegen die Germanisierung der nationalen Minderheiten und gegen
     jegliche Rechtlosigkeit kämpft. »Durch das Bündnis mit dem deutschen arbeitenden Volk gegen die Ausbeutung der deutschen und
     polnischen herrschenden |148| Klassen und gegen die Bedrückung durch die Regierung – das ist unsere Losung!« 205
    Alles, was sie in Posen und Umgebung an praktischer Kleinarbeit geleistet hatte, reichte aus, um in diesem Gebiet ein Mandat
     zum nächsten Parteitag der deutschen Sozialdemokratie in Mainz und zum bevorstehenden Internationalen Sozialistenkongreß in
     Paris zuerkannt zu bekommen. Nicht nur die Partei, auch Rosa Luxemburg persönlich hatte ein Stück Neuland erobert, das sie
     sozialkritisch beschrieb und gegen Fehlinformationen durch PPS-Vertreter im »Vorwärts« verteidigte. 206
    Auf dem Mainzer Parteitag erläuterte Rosa Luxemburg ihren Standpunkt zur Polenfrage in der Partei. Gemeinsam mit Joseph Gogowski
     brachte sie einen Antrag ein, der angenommen wurde. Durch ihn wurde die Reichstagsfraktion beauftragt, die Unterdrückung der
     polnischen Sprache in den Schulen der Provinz Posen, selbst im Religionsunterricht, zur Sprache zu bringen und überhaupt die
     Behandlung der Polen als Bürger zweiter Klasse mit allem Nachdruck zu bekämpfen. In ihren Reden sprach sie sich gegen die
     nationale Phrasendrescherei aus, begründete, warum es in Posen und Oberschlesien vor allem auf die praktische Zusammenarbeit
     deutscher und polnischer Arbeiter in den Gewerkschaften und Parteiorganisationen ankäme, und verwahrte sich gegen Vorwürfe,
     daß sie die Auseinandersetzungen zwischen der polnischen Gruppe in Berlin und der polnischen Sozialdemokratie in Posen provoziert
     hätte. »Wir müssen den polnischen Arbeiter lehren«, erklärte Rosa Luxemburg unter Beifall, »seine nationalen Utopien aufzugeben,
     und ihm zeigen, daß er nicht in seiner Sonderstellung als Pole, im Anschluß an nationalistische Parteien, sondern als Sozialdemokrat
     seine Nationalitätsinteressen am besten verteidigt.« 207 Rosa Luxemburg beharrte auf ihrer Grundthese zur nationalen Frage, bewegte sich in der Praxis allerdings so flexibel, daß
     sie den Mainzer Parteitag zu faszinieren wußte und Ignatz Auer ihr mit »Róża« schmeichelte.

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    |149| HERAUSFORDERUNG
1900–1904
    Was für eine abgeschmackte Idee, mich alle paar Wochen vor dem »Auf-den-Hund-Kommen« zu retten!
    Es war eine Stärke Rosa Luxemburgs, aus der Fülle weltpolitischer Ereignisse die wesentlichen herauszufinden und neue Entwicklungstendenzen
     zu analysieren. Mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgte sie Meldungen über die zunehmenden Kartell- und Trustbildungen – ein
     Thema, zu dem von Sozialdemokraten wie Bruno Schoenlank und Adolf Braun bereits Untersuchungen vorlagen. 1894 hatte sich der
     Frankfurter Parteitag auf der Grundlage eines Referats von Max Schippel damit beschäftigt. Rosa Luxemburg stellte jedoch fest,
     »über die innere Natur, die gesellschaftlichen Wirkungen, die geschichtliche Bedeutung der Kartelle im Ganzen der modernen
     Entwicklung« sei man allgemein noch sehr im unklaren. 1 Auch sie sammelte Material für eine empirische Bestandsaufnahme. In ihrem am 3. November 1899 erschienenen Artikel »Ein Ergebnis
     der Kartellwirtschaft« prognostizierte sie, in der Wirtschaftsstruktur Nordamerikas werde »die Herrschaft des
Mo
nopols
an Stelle der freien Konkurrenz« 2 treten. Für die europäischen Länder hatte sie die Verbreitung der Kartelle zu Beginn des Jahres 1899 in Übereinstimmung mit
     dem französischen Ökonomen Paul de Rousiers noch ausgeschlossen. 3 Ein dreiviertel Jahr später, im November 1899, ließ sie jedoch offen, »ob die Kartelle zu

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