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Rosa

Rosa

Titel: Rosa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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Schlüssel, und wir traten zurück, als er die graue Metallschublade aus der Schließfachwand zog und sie für uns in einen der kleinen, abgesonderten Räume trug. Er zeigte auf einen Knopf. »Klingeln Sie einfach, wenn Sie fertig sind«, sagte er und ließ uns diskret allein.
    Der Behälter stand auf einem kleinen Wandtisch und Betty blieb zögernd davor sitzen, sodass ich ihn schließlich öffnete. Unser Blick fiel auf Geld. Sehr viel Geld, alles in gebrauchten Scheinen von zwanzig, fünfzig, hundert, fünfhundert Euro, in unordentlichen Stapeln, als habe Victor eine Woche lang jeden Tag die Aufkäufer abgeklappert und abends kurz vor Feierabend in der Bank seine Taschen geleert. Die Gesamtsumme war schwer zu schätzen. Dreihunderttausend, vielleicht mehr.
    »Lieber Himmel«, flüsterte Betty. »Victor.« Sie beugte sich über die Lade und fing an zu weinen.
    Ich klopfte ihr auf die Schulter. »Was hattest du denn erwartet?«
    Ihre Tränen tropften auf das Geld. Ich hielt eine Hand darüber und fing sie auf, mit der anderen zog ich ein Taschentuch heraus. »Schwester, ich habe doch noch für dich gesorgt«, flüsterte sie. »Das hat er gesagt.«
    Ich reichte ihr das Taschentuch. »Komm, hör auf zu weinen.«
    Sie betupfte sich die Augen. »Das gehört mir nicht.«
    »So? Wem denn dann?«
    Sie beruhigte sich und gab mir mein Taschentuch zurück. Dann schloss sie den Deckel des Behälters, schaute mich an und schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, ob ich das kann«, sagte sie.
    Ich wischte meine Hand an dem nassen Taschentuch ab und fragte mich, wie lange sie brauchen würde. »Dann bleibt es hier liegen, bis die Bank in hundert Jahren bei einer Weltrauminvasion in Schutt und Asche gelegt wird.«
    Sie nahm wieder mein Taschentuch und schnäuzte sich die Nase. »Ich finde das nicht witzig«, erwiderte sie.
    Ich zuckte mit den Schultern. »Es ist ein Geschenk deines Bruders an dich. Die Schwester im Krankenhaus hat schon geglaubt, er habe im Lotto gewonnen. Er war sehr fröhlich.«
    Sie holte Luft. »Nicht dass ich Geld verachte«, sagte sie. »Aber hierfür wurde ein alter Mann ermordet.«
    »Dieser alte Mann wurde von Abraham Kars ermordet«, wandte ich ein. »Der Einbruch hat in der Nacht davor stattgefunden. Dabei ging es um Diamanten. Die Diamanten wurden wiedergefunden, sie lagen in Victors Hotelzimmer.«
    Sie schaute mich verwundert an. »Woher weißt du das?«
    »Von der hiesigen Polizei.«
    Ich beugte mich zu ihr. »Man hat einen Sack mit Diamanten im Wert von dreihunderttausend Euro in seinem Zimmer gefunden und geht davon aus, dass das die Beute war. Die Polizei meint, Victor habe einen Käufer dafür gefunden und sei auf dem Weg zurück zu seinem Hotel gewesen, um sie abzuholen. Der Deal hat ihn derart aufgeregt, dass er unterwegs einen Herzanfall erlitt. Man wird versuchen, die Diamanten den Erben Dufours zurückzugeben, aber ich habe mit seinem Notar gesprochen und er hat gar keine Erben. Das bedeutet, dass die Diamanten verkauft werden und der Gewinn dem belgischen Staat zufällt.«
    Sie schwieg eine Weile und wies mit einem Nicken auf die Metallbox. »Und das da?«
    Nicht einmal Kars wusste, wie viel es gewesen war. Er konnte Zeter und Mordio schreien, aber er hatte nicht den geringsten Beweis und die Polizei würde ihm sowieso nicht glauben. Sie hatten die Beute und der Fall war abgeschlossen.
    »Mich geht das ja nichts an«, sagte ich leichthin, »aber ich sehe hier keine Diamanten, nur ein bisschen Geld. Du kannst es dem belgischen Staat schenken oder den Hare-Krischna-Jüngern, aber das wäre nicht im Sinne deines Bruders. Er hat dir und Gerda große Sorgen bereitet und du hast ihn ein Jahr lang während der Nachwehen seiner Herzoperation wie eine Mutter versorgt. Das ist sein Dank.«
    »Shit«, sagte Betty. Sie fasste meine Hand. »Dann nimm du die Hälfte oder wenigstens einen gehörigen …« Ich fing an zu grinsen. Sie hatte den Schock überwunden und konnte wieder realistisch denken, doch als sie mein Grinsen sah, biss sie sich schuldbewusst auf die Unterlippe. »Die Hälfte«, sagte sie entschieden.
    Vielleicht, in jungen Jahren und lange bevor es Nel gegeben hatte, die vieles zurechtgerückt hatte. »Meine reiche Klientin hat mich schon bezahlt«, erwiderte ich. »Wenn du Geld loswerden willst, schick es doch an Victors Geschwister in der Türkei, das hätte seinen Vater gefreut.«
    »Wie denn?«
    Auf ihren ratlosen Gesichtsausdruck hin öffnete ich erneut den Behälter. »Was heißt denn

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