Rosa
von diesen Untersuchungen? Da macht er bestimmt nicht nochmal mit. Aber er schluckt brav seine Medikamente, und soweit ich weiß, nimmt er alle Kontrolltermine wahr.«
»Wann hast du ihn zum letzten Mal gesehen.«
»Vor etwa einer Woche. Er kommt gelegentlich vorbei. Hauptsächlich, wenn er Geld braucht.«
»Hat er einen Job?«
»Er arbeitet im Chez Minette an der Bar, das ist ein Nachtclub.«
Ich erinnerte mich an das Chez Minette, eine drittklassige Kaschemme, in der man abgezockt wurde und wo sich niemand daran stören würde, wenn Victor einen betrunkenen Gast draußen vor der Tür noch schnell beklaute. »Ich würde ihn trotzdem gern persönlich sprechen. Kannst du mir seine Adresse geben?«
Sie nickte und stand auf, fand einen Zettel in der Schrankwand und schrieb etwas auf.
»Wie geht es seinem Herzen inzwischen, was meinst du?«, fragte ich.
Sie zuckte mit den Schultern. »Victor trinkt nicht mehr, das behauptet er zumindest. Er ist immer robust gewesen, ziemlich gesund. Die ersten beiden Jahre nach so einer Operation sind die schwierigsten, darüber ist er jetzt hinweg, aber er muss immer noch so viele Vorschriften beachten. Manchmal befürchte ich, dass er sich nicht besonders strikt daran hält.«
»Das wäre aber dumm von ihm.«
Sie schüttelte den Kopf. »Er hat es einfach satt, so leben zu müssen. Wenn ich nur niese, darf er mir nicht zu nahe kommen. Er muss sich vor Infektionen und Bakterien in Acht nehmen, er darf auf keinen Fall etwas von der Frittenbude essen, er muss eine Maske tragen, wenn er einen Kranken besucht, sich andauernd die Hände waschen. Er muss sein Gewicht und seinen Blutdruck kontrollieren, Pillen schlucken, sein Armband tragen und seine Patientenkarte bei sich tragen.«
Chez Minette. »Was Keimfreiheit angeht, ist eine Bar aber nicht gerade der ideale Arbeitsplatz«, bemerkte ich.
Betty zuckte mit den Schultern. »Ich hab zu ihm gesagt, er solle wenigstens Handschuhe tragen. Aber er ist dickköpfig. Er rechnet damit, dass er die zwanzig Jahre schafft. Gerda wäre schon mit zehn oder fünfzehn zufrieden.«
»Gerda?«
»Unsere Mutter, sie wohnt in Amstelveen.« Sie gab mir den Zettel. »Darunter steht meine Telefonnummer.« Sie lächelte verführerisch und zupfte vorn an ihrem Morgenrock herum. »Wenn du nochmal vorbeischauen willst, ruf mich vorher an, dann lasse ich die Pistole im Schrank.«
Es war eine der Straßen am Fluss in der Nähe des Messegeländes, keine schlechte Gegend, eher gutbürgerlich und ziemlich langweilig. Nummer 16 erwies sich als solides Wohnhaus aus dunklen Backsteinen, mit schmutzigen Fenstern, Namensschildchen und Klingelknöpfen im Eingang, angeketteten Fahrrädern vor der Tür. In vielen dieser Amsterdamer Häuser hatten schlaue Besitzer fünf oder zehn kleine Wohnungen mit Kochnische und Duschecke eingerichtet, für Studenten oder andere Kurzzeitbewohner, die ihnen an Miete das Vielfache von dem einbrachten, was sie früher für das ganze Haus erhielten.
Ich drückte ein paar Mal auf die Klingel neben dem Schild V. de Vries. Keine Reaktion. Ein paar Meter weiter standen drei alte Männer, die sich miteinander unterhielten und einer Frau hinterherschauten, die einen Kinderwagen vor sich herschob. Das unterste Namensschild wirkte dauerhafter als die übrigen: W. Lommerijns.
Eine Surinamerin zog die Tür ein kleines Stück auf und fragte durch den Spalt: »Ja?«
»Guten Tag, Mevrouw, sind Sie die Vermieterin?«
»Ja?«
Ich tippte auf die Namensschildchen. »Ich bin auf der Suche nach einem Ihrer Mieter, Victor de Vries.«
»Ja?«
Ich kramte vorsorglich schon mal in meiner Innentasche. »Bei ihm hat niemand aufgemacht.«
»Er ist nicht zu Hause.«
»Kommt er bis heute Abend wieder?«
»Ich habe ihn schon seit drei Tagen nicht gesehen«, antwortete sie.
Ich nickte, als hätte ich nichts anderes erwartet, und sagte streng: »Er hätte sich gestern melden müssen, wissen Sie.«
»Weswegen?«
»Ich bin von der Bewährungshilfe.« Ich wedelte mit Meulendijk. Ihr Gesichtsausdruck wurde abweisend. Egal ob Victor jetzt Probleme mit seiner Vermieterin bekam, aber ich musste sein Zimmer sehen und hier einzubrechen wäre nicht einfach gewesen. »Seit drei Tagen, sind Sie sicher?«
Sie nickte und öffnete die Tür ein Stück weiter. »Ich behalte für meinen Mann die Mieter etwas im Auge«, erklärte sie. »Sonst wohnen am Ende plötzlich vier Leute in einer Wohnung. Oder die nehmen den Fernseher mit. Was hat er denn getan?«
»Nichts,
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