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Rosa

Rosa

Titel: Rosa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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mit dem Ellbogen die Dielentür auf und zog auf dem Weg durch den Flur zum Wohnzimmer Latexhandschuhe aus seiner Jackentasche. Ich hatte die Tür zum Wohnzimmer halb offen gelassen und er stieß leicht mit dem Fuß dagegen, während er die Handschuhe überstreifte. Er mochte ein alter Dorfpolizist sein, doch Nachhilfestunden von mir brauchte er nicht. Ich sah, wie sich seine Nasenflügel bewegten.
    »Rechts, bei dem Schreibtisch«, sagte ich hinter ihm. »Ich bin dort am Büfett entlanggegangen.«
    Er ging zum Schaukelstuhl, und ich hörte, wie sein Atem stockte. Er seufzte, murmelte eine Verwünschung und schaute sich die Szene eine halbe Minute lang an. Dann hockte er sich vor den Stuhl und bewegte einen Finger des Toten, genau wie ich es getan hatte.
    »An zwei Vormittagen pro Woche kommt eine Putzfrau«, sagte er. »Das letzte Mal wohl am Freitag.« Er richtete sich auf und warf einen Blick auf das Telefon. »Haben Sie diesen Apparat benutzt?«
    »Ja, um die Polizei zu benachrichtigen.« Ich hob meine Vinylhand. »Die Wahlwiederholung hat nichts ergeben.«
    Er nickte, nahm den Hörer am oberen Ende ab und wählte eine Nummer. »Hier Hulst«, sagte er. »Euer Fall, und bringt die Spurensicherung und einen Leichenwagen mit.« Er hörte einen Moment zu und sagte dann: »Ich glaube, gestern Nacht.« Hulst legte auf und schaute mich an. »Wir haben Sonntag, es kann eine Weile dauern. Woher wissen Sie so genau über das korrekte Verhalten an einem Tatort Bescheid?«
    »Ich war zwölf Jahre lang bei der Kripo in Amsterdam.«
    Er zog eine Augenbraue hoch. »Vorzeitig pensioniert?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe eine Kugel abgekriegt und hatte keine Lust, am Schreibtisch zu sitzen. Deshalb habe ich mich selbstständig gemacht. Das ist die Kurzfassung.«
    Ich reichte ihm meinen Meulendijk-Ausweis. Normale Bürger konnte man mit dem Titel Exstaatsanwalt beeindrucken. Polizisten ließen sich zwar nicht so leicht an der Nase herumführen, aber ihnen sprang sofort der Name ins Auge. »Ist das der Meulendijk?«
    »Er kannte mich noch aus seiner aktiven Zeit als Staatsanwalt und hat mir einen Vertrag auf freiberuflicher Basis angeboten.«
    Jeder Polizeibeamte hat Respekt vor Meulendijk, der damals landesweit für Aufregung sorgte, weil er lieber zurücktrat, als sich auf einen Deal mit dem organisierten Verbrechen einzulassen. Zu der Zeit, als seine Kollegen mit der IRT-Drogenaffäre und der parlamentarischen Untersuchung beschäftigt waren, stand Meulendijk bereits an der Spitze einer renommierten Privatdetektei mit fünfzig festen sowie einer Hand voll freien Mitarbeitern.
    Ich achtete auf seinen Gesichtsausdruck. Der Name Meulendijk öffnete Türen, doch Polizisten sind nicht immer begeistert über Exkollegen in ihrem Fahrwasser. Hulst machte den Eindruck eines gesunden Landbewohners, der nicht so schnell aus der Fassung zu bringen war. Wenn er ein wenig aufgeregt wirkte, dann wegen des Ermordeten, nicht wegen mir. »In Amsterdam haben Sie bestimmt mehr Mordfälle erlebt als wir hier in der Veluwe«, bemerkte er.
    Ich warf einen Blick auf den Toten und erwiderte: »Kaum derart sadistische. Meiner Meinung nach hätten sie ihm nur ein bisschen drohen müssen, um etwas aus ihm herauszukriegen, aber so hat es ihnen mehr Spaß gemacht. Hatte er Geld im Haus?«
    »Erklären Sie mir erst, was Sie bei Dufour wollten.«
    Ich konnte Victor nicht erwähnen, ohne eine landesweite Jagd nach ihm auszulösen, und abgesehen von den Verpflichtungen meiner Klientin gegenüber fiel es mir schwer, einen Herztransplantierten mit diesen Gräueltaten in Verbindung zu bringen. »Meneer Dufour rief mich letzte Woche an und bat um einen Termin«, behauptete ich.
    »An einem Sonntagabend?«
    »So schnell wie möglich. Ich sagte ihm, ich hätte erst am Montag Zeit, war aber heute Abend auf der Rückreise von Groningen und dachte mir, dass ich ebenso gut jetzt bei ihm vorbeischauen könne, es war ja noch nicht spät.«
    »Was haben Sie in Groningen gemacht?«
    »Wir waren das Wochenende über bei meinen Schwiegereltern, meine Tochter ist bei ihnen zu Besuch. Meine Frau kommt morgen wieder.« Ich drückte mich absichtlich etwas weitschweifig aus, vor allem weil mir Hulst wie ein Familienmensch aussah.
    Er nickte unbewegt. »Was wollte Dufour von Ihnen?«
    »Keine Ahnung. Er suchte einen Privatdetektiv, wollte am Telefon aber nicht sagen, warum.« Mir war klar, dass sie seine Anrufe überprüfen würden, deshalb fügte ich hinzu: »Ich hatte das

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