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Rosa

Rosa

Titel: Rosa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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schwerer Schlag für mich war. Ich war deprimiert und wollte allein sein. Ich habe in der Stadt etwas gegessen, mir die neueste Matrix- Folge angesehen und mich anschließend in einer Kneipe gepflegt betrunken, das hätten Sie auch getan. Ich weiß nicht, um welche Zeit ich nach Hause gekommen bin, das müssten Sie Julia fragen.«
    »Okay«, sagte ich.
    »War das alles?«
    Ich stand auf. »Vorläufig schon, was mich betrifft.«
    Er folgte mir bis an die Flurtür und blieb dort stehen. Julia wartete an der Treppe und ich verabschiedete mich von ihr. Sie drückte leicht meine Hand und sagte: »Bis bald.« Dann warf sie einen Blick über meine Schulter und im selben Moment spürte ich eine verstohlene Bewegung ihrer anderen Hand in meiner Jackentasche.
    Ich lächelte sie an und verließ das Haus. Der BMW war unbehelligt geblieben. Ich schloss die Tür auf, setzte mich ans Steuer und griff in meine Tasche.
    Eine winzige Kassette, aus einem Anrufbeantworter.
    Heutzutage waren Anrufbeantworter mit Chips bestückt, die man – außer man hieß CyberNel – nicht herausnehmen konnte. Aber ich hatte den Apparat unter dem Telefon im Wohnzimmer gesehen und er passte zur billigen Einrichtung eines Journalisten, der mehr Pläne als Einkünfte hatte. CyberNel könnte etwas mit der Kassette anfangen, aber CyberNel war in Breda.
    Solche alten Geräte fand man höchstens noch im verstaubten Regal eines Reparaturshops, eines Secondhand-Elektronikladens. Telekomservice. Audiotechnik. Ein Trödelhehler!
    Ich stellte mein Auto an der Egelantiersgracht ab und spazierte in die Gasse hinein.
    Die Türglocke bimmelte. Alles war unverändert, ein Chaos von Porzellan und Nippes, Autoradios, Fernsehern, Kupfergegenständen, viel Staub und undefinierbaren Gerüchen. Das schlaue Fuchsgesicht von Nol Chaski, An- & Verkauf, war um zwei Jahre gealtert, das war alles. Er trug anscheinend noch immer denselben altmodischen, dreiteiligen grauen Trödleranzug mit einer goldenen Uhrkette über der Weste. Er erschrak, als er mich erkannte.
    »Nol«, sagte ich. »Immer noch hier? Ich dachte, du hättest dir inzwischen mindestens eine Villa an der Costa Brava zusammengehehlt.«
    »Bei mir findest du nichts Gestohlenes!«, protestierte er.
    Ich lachte. »Nol, wem willst du das weismachen? Deiner seligen Mutter?«
    »Ich weiß nicht, was du willst, aber bei mir bist du an der falschen Adresse. Du bist doch gar nicht mehr bei der Schmiere?«
    Ich zeigte ihm die Kassette. »Ich brauche nur eine Expertise, wenn du weißt, was ich meine.«
    Er nickte. »Ich kenne mich mit allen Marken aus. Was soll ich damit?«
    »Weißt du, was das ist?«
    Er nahm mir die Kassette aus der Hand. »Philips«, diagnostizierte er. »Völlig unmodern, die Dinger sind nichts mehr wert.«
    »Aber bestimmt hast du irgendwo hinten noch eins von diesen alten Modellen rumstehen?«
    »Die sind nicht billig«, erwiderte er sofort. »Du wirst es nicht glauben, aber solche Apparate haben mittlerweile Sammlerwert, das ist genau wie mit diesen Erdnussschälchen-Sets.«
    »Ich will nur wissen, was auf der Kassette drauf ist«, erklärte ich. »Und du bist der einzige durch und durch zuverlässige Bekannte, der mir eingefallen ist. Betrachte es als Gegenleistung. Oder hast du die Geschichte schon vergessen?«
    Ich hatte ihn damals in einem nass gepissten Pyjama gefunden, wie eine Roulade in Elektrokabel eingeschnürt, ein Geschirrtuch vor den Augen und einen Knebel im Mund, infolge eines nächtlichen Besuchs von Tiffany und ihrer Freundin Patty. Er hätte tot sein können, doch anstatt dankbar zu sein, verzog er enttäuscht das Gesicht. »Für mich springt also nichts dabei raus?«
    »Nol, mach hin, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.«
    Er schnaufte gekränkt, legte die Kassette auf seine schmutzige Theke und verschwand durch die Tür dahinter. Kurz darauf kehrte er mit einem alten Anrufbeantworter zurück. Er bückte sich zu einer Mehrfachsteckdose an einem losen Kabel, steckte den Stecker ein und legte das Band in den Apparat.
    »Abraham Kars«, sagte Kars knatterig. »Ich bin unterwegs, aber Sie können mir eine Nachricht hinterlassen …« Ich schaltete das Band aus.
    »Nol. Das ist privat«, sagte ich.
    »Auch das noch.« Nol zog eine Grimasse und verschwand durch die Tür. Ich wusste, dass er mit dem Ohr am dünnen Holz dahinter stehen blieb, aber das störte mich nicht weiter. Erneut startete ich das Band.
    »Nach dem Signalton.« Piep. Eine Frauenstimme. »Hallo, Julia, ich habe mit Doktor

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