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Rosa

Rosa

Titel: Rosa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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erzählte ihm von den Diamanten, eine sichere Sache, weil der Besitzer nicht zur Polizei gehen konnte, und vereinbarte einen Deal mit ihm. Sicher hatte Kars ihm keine fünfzig Prozent versprochen, höchstens hunderttausend.
    Eine Viertelstunde später dachte sich Victor ganz richtig, dass er mehr davon hätte, wenn er Kars ausspielte und einfach mit seinem früheren Kumpanen gemeinsame Sache machte, der ihm außerdem wegen einer alten Sache auf die Pelle rückte. Er rief Cor an und sie verabredeten sich für den nächsten Tag.
    Um Viertel nach drei rief Victor Kars zum zweiten Mal an, vielleicht mit der Ausrede, dass zuerst die Lage gründlich gepeilt werden müsse. Oder Cor hatte ihn ermuntert, weitere Fakten in Erfahrung zu bringen, die Adresse, das Versteck und um wie viel es eigentlich ging. Victor notierte die Adresse auf seinem Post-it-Blöckchen, zog das Blatt ab und steckte es ein.
    Victor.
    Ich hatte das Zimmer des Jungen gesehen, den an der Wand festgeschraubten Fernseher und die Waage, die Erinnerungen in seinem Koffer, die Kuhle auf dem nicht benutzten Bett, auf dem er die halbe Nacht wach gelegen und nachgedacht hatte. Er war fünfundzwanzig. Er lebte mit einem fremden Herzen und hatte eine Lebenserwartung von weiteren fünfzehn Jahren, wenn er seine Medikamente nahm und gesund lebte. Erheblich weniger, wenn er sein jetziges Leben weiterführte, Jobs in zwielichtigen Nachtclubs, ein Bein in der Unterwelt.
    Mit einer Million konnte er den täglichen Risiken fataler Aufregung und Anstrengung entkommen und sich für die verbleibenden Jahre ein lockeres Leben erkaufen, in Finnland, Hawaii, Slowenien oder irgendeinem anderen Paradies, in der Nähe einer Privatklinik. Er könnte sogar seine Schwester zu sich holen und sich so bei ihr revanchieren. Er wäre frei, fuck Cor, fuck the rest. Victor packte am Mittwochmorgen in aller Herrgottsfrühe eine Sporttasche, stieg in sein Auto und verschwand. Seine Spur ließe sich finden, in einem kleinen Hotel irgendwo in der Veluwe, nicht in Otterlo. Victor hatte die Sache garantiert gründlich angepackt, denn es ging um den Rest seines Lebens. Er nahm sich zwei Abende Zeit, um das Haus auszukundschaften, und brach Freitagnacht ein.
    Hatte Kars Dufour ermordet?
    Hatte Kars das Feuerzeug bei Dufour zurückgelassen? Warum?
    Plötzlich fiel mir eine Erklärung ein, so abrupt wie ein Flashback in einem Film: Kars ist bei Betty, ihm wird klar, dass ihr Bruder ihn betrogen hat, er schlägt zu. Er hat bereits beschlossen, in dieser Nacht nach Otterlo zu fahren. Sein Blick fällt auf das Feuerzeug. Er weiß nicht, dass Cor da gewesen ist. Er weiß, dass Betty nicht raucht, er glaubt, Victor habe es liegen lassen. Er nimmt ein Taschentuch, tut so, als müsse er sich die Nase schnäuzen oder sich den Schweiß von der Stirn wischen, und hebt damit heimlich das Feuerzeug auf. Es ist seine Rache an Victor.
    Aber warum fuhr Kars nach Otterlo?
    Vielleicht glaubte er, dass Dufour noch mehr Diamanten besaß, an einem anderen Ort. Oder er war einfach ein durchgeknallter Psychopath, dem es nicht reichte, Betty zu misshandeln. Ich konnte mich nicht in die Gedanken eines Psychopathen hineinversetzen, aber Dufour hatte ihm nach lebenslanger Herumkrebserei Aussicht auf ein Vermögen geboten und von einer Minute auf die andere war ihm diese Hoffnung geraubt worden.
    Ich misstraute Theorien, bei denen alles zu stimmen schien. Jeder Ermittler versucht natürlich, für sämtliche Elemente eines Falles die einfachste und logischste Erklärung zu finden, in dem Wissen, dass die so entstehenden schönen Theorien einen oftmals auf die falsche Spur locken und die zähe Fahndungsarbeit am Ende womöglich ein ganz anderes Bild ergibt. Dennoch passten alle Informationen, die ich besaß, in meine Theorie hinein. Sie hörte sich gut an. Nur konnte ich nichts beweisen. Zwei Anrufe von Victors Anschluss aus bei Kars, was hieß das schon. Kars suchte einen Chauffeur. Vielleicht gelang es uns, ein Hotel zu finden, wo jemand, auf den Victors Beschreibung passte, Mittwoch und Donnerstag abgestiegen war, und vielleicht war an diesen Tagen ein blauer Nissan in Otterlo gesehen worden. Vielleicht konnten wir Kars’ Alibi knacken.
    Ohne Victor hatten wir nichts in der Hand.
    Sie war eine kleine, mollige Frau mit gelbweißem Haar und freundlichen Augen. »Ich bin Gerda«, sagte sie. »Kommen Sie doch rein. Betty hat mir schon von Ihnen erzählt. Sie sind bestimmt wegen Galip hier.«
    Ich blieb stehen. »Galip?«
    Sie

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