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Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)

Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)

Titel: Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
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rein!«, schnauzte Cecilia.
    »Nein!«, brüllte Henry. »Nein! Ich geh heim. Ich flieg mit Amelia. Wir fliegen nach Hawaii.«
    »Cecilia, bitte«, sagte ich. »Das funktioniert doch nicht. Lass ihn in Ruhe.«
    Aber Cecilia wollte nicht hören. Sie liebte Henry wie von Sinnen, und wenn sie ihn zu dem Sessel zerren und ihn anschnallen musste, um die Chemotherapie in seinen Körper zu pumpen, würde sie es tun.
    »Cecilia«, sagte die Ärztin. »Er ist erwachsen.«
    »Er ist ein Erwachsener mit Behinderungen«, blaffte sie zurück und blinzelte die Tränen weg. »Er kann keine eigenen Entscheidungen treffen.«
    »Doch, das kann er«, sagte die Ärztin. »Sowohl moralisch als auch rechtlich.«
    »Kann er nicht.« Cecilia zitterte am ganzen Leib. »Er versteht es nicht. Er versteht nicht, dass er sterben wird , wenn er die Behandlung nicht durchführt. Er kapiert den Zusammenhang nicht.«
    Aber Henry kapierte ihn, und er hatte Cecilia verstanden. Er breitete die Hände aus. »Ich weiß, dass ich sterbe, Cecilia! Das weiß ich schon! Jesus hat mir im Traum gesagt, ich werd ihn bald sehen, aber ich nehm den Saft in der Nadel nicht!«
    »Cecilia«, sagte die Ärztin besänftigend, »ich kann ihn nicht zu der Behandlung zwingen.«
    »Können Sie nicht oder wollen Sie nicht?«, fauchte Cecilia.
    »Ich kann nicht, und ich will es nicht«, erwiderte die Ärztin. Fest. Resolut.
    Einen Moment lang sah es so aus, als wollte Cecilia sie schlagen, so wütend war sie. Ich hielt sie am Arm fest und stellte mich vor sie. »Beruhige dich, Cecilia. Zügle wenigstens einmal deine Wut, okay? Denk darüber nach, denk daran, was du von ihm verlangst.«
    Sie wehrte sich, aber ich hielt sie fest. Sie fluchte; ich schüttelte sie und fuhr sie an, sie solle sich zusammenreißen. »Hier geht es nicht um dich, Cecilia, nicht darum, was du willst.« Es war furchtbar.
    Cecilias Gesicht sackte zusammen. »Das ist seine einzige Chance, seine einzige Chance , Isi.«
    »Ist es. Aber es ist keine gute Chance. Es ist eine verschwindend kleine Chance, wenn überhaupt. Das weißt du. Das weißt du genau. « Ich zog sie an mich.
    »Aber ich liebe ihn«, sagte Cecilia, als würde das alles erklären. »Ich liebe ihn.«
    Janie stolperte zu uns und legte ihren Arm um Cecilia. So sind Schwestern: streiten sich in der einen Minute, versöhnen sich in der nächsten. Wir boten ein Bild des Jammers.
    Momma wankte auf ihrem Stuhl, ganz grau im Gesicht, und eine Krankenschwester beugte sich vor und maß ihren Puls.
    »Ich weiß, dass du ihn liebst, Cecilia. Wir lieben ihn alle.« O ja, das taten wir. Wir liebten Henry über alle Maßen.
    »He! He! Warum weint Cecilia?«, rief Henry. »Cecilia, warum weinst du?«
    »Weil, Henry …« Sie holte Luft, gebrochen und tief unglücklich. »Weil ich dich liebe und das Medikament dir mehr Zeit zum Leben geben würde. Um mit Grandma zu fliegen. Um mit Dad das Modellflugzeug zu bauen. Um in der Bäckerei zu helfen, mit uns Schwestern Cupcakes zu verzieren, die Hunde zu streicheln, in der Kirche Donuts auszuteilen und in der ersten Bank zu sitzen.«
    »Hm.« Henry stützte sein Kinn in die Faust und klatschte dann dreimal. »Hm. Okay, ich mach’s!« Er flitzte zurück zum Zauberstuhl und streckte den Arm aus. »Ich mach’s für Cecilia.« Er grinste uns an. »Ich mach’s für meine Schwestern. Henrys Schwestern. Nicht mehr streiten. Ich liebe meine Schwestern.«
    Und das war’s. Henry bekam die Chemotherapie. War es ethisch vertretbar, wie das zustande kam? Vermutlich nicht. Moralisch? Vermutlich nicht. Gut gemeint? Ja.
    Janie wurde ohnmächtig, als die Nadel in Henrys Arm geschoben wurde. Er wand sich und jammerte, aber wir besänftigten ihn, während Momma Janie auf dem Boden wiegte.
    Wir spielten Dame mit ihm. Er machte ein Nickerchen. Wir tranken den kostenlosen Kaffee und die heiße Schokolade, von der Henry so begeistert war. Als wir fertig waren, gingen wir. Momma stützte sich auf mich, Cecilia war kurz davor, zusammenzubrechen (das wusste ich, weil ich ihre Erschöpfung spürte), eine bleiche Janie betütelte Henry, und ich hatte das Gefühl, sterben zu wollen. Auf der Stelle. Ich glaube, dieses Gefühl wird durch eine Mischung aus Stress und Leid ausgelöst.
    Wir fuhren nach Hause. Der Columbia River war derselbe wie immer, kleine Wellen mit weißen Schaumkronen, die Sonne neigte sich dem Horizont zu, wollte schlafen gehen, wie Henry sagen würde, die Bäume tanzten einen steifen Tanz, und als wir in die Einfahrt

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