Rosarote Träume in Blau 1 -Spätes erwachen- (Junge Liebe) (German Edition)
Scheiss Bilanz. Er konnte dafür jedoch noch ohne Skrupel in den Spiegel schauen. Gut, er hatte mit diversen Typen gechattet, auch mal per Webcam. Aber auch das war alles fast harmlos gewesen. Er hatte immer das Gefühl, dass ihn alle nur schnell in die Kiste haben wollten, um ihn dann genau so schnell wieder abzuschieben. Für ihn war klar, keine Trophäenjäger, dafür war er sich zu schade. Das kam für ihn nicht in Frage!
Wenn er ganz ehrlich war, Sex mit einem Mann hatte er noch nie, also zumindest keinen richtigen Sex. Aber wie auch? Er ist schüchtern und sehr vorsichtig. Er lebt auf einem kleinen Dorf, die nächste größere Stadt war Potsdam und doch auch schon weiter weg. Und er wohnte ja auch noch im Elternhaus. Das hatte zwar seine Nachteile, aber auch den Vorteil, dass er keine Miete zahlen musste und so die ganze Kohle für sich ausgeben konnte. Ja gut, er gab mal hier und da was mit dazu, aber das war‘s auch schon. Im Schnitt blieben ihm sicher um die 300 mehr, als mit einer eigenen Bude.
Er liebt schicke Klamotten und er konnte da auch großzügiger zuschlagen als andere. Er hat ein fesches Auto und ist immer bestens gepflegt. Alle vier bis fünf Wochen sitzt er beim Friseur. Sein Äußeres ist ihm wichtig, sehr wichtig sogar. Er ist immer gepflegt, adrett und modisch gekleidet.
Aber er wusste auch, irgendwann musste er sein Leben ändern, irgendwann muss er auf eigenen Beinen stehen und eine eigene Wohnung mieten. Dann war die Kohle zwar knapper, aber er konnte auch mehr wagen als jetzt. Besuch empfangen, das war im Moment eigentlich so gut wie ausgeschlossen. Sein Outing hat er immer wieder vor sich hergeschoben. Er wollte auf den Tag warten, an dem es sich auch wirklich lohnen würde und er einen richtigen Freund und Partner vorzuweisen hatte. Das hatte er schon lange so entschieden. Und dieser Tag schien vielleicht nun doch bald näher zu kommen!
Tankstelle, Post und Supermarkt lagen inzwischen schon hinter ihm. Er konnte sich gar nicht mehr an jede Einzelheit erinnern, seine Gedanken waren die ganze Zeit woanders. Er hatte aber alles perfekt erledigt und der Einkauf war auf den ersten Blick auch komplett. Sein Unterbewusstsein hatte für ihn scheinbar alles geregelt. Er räumte den Kühlschrank ein und ging ins Bad, er musste jetzt erst mal duschen.
Benny arbeitete in einem Altenpflegeheim in der Nähe, genauer gesagt, im Nachbarort. Er hatte das zwar nicht erlernt, aber er machte diese Arbeit seit vielen Jahren sehr gern. Er besuchte Fortbildungen und hatte im Laufe der Zeit eine gute Position erreicht. Er war fleißig, zuverlässig, gewissenhaft, immer hilfsbereit und bei allen beliebt. Er hatte sich in den letzten Jahren wirklich hochgearbeitet. Ehrlich und einsatzwillig und nicht durch irgendwelche Machenschaften oder Arschkriecherei. Er verdiente auch ganz ordentlich und war deshalb mit dieser Seite seines Lebens recht zufrieden.
Den einzigen Tick, den er hatte und pflegte, war der Chat. Morgens ist es das Erste, was er tat, abends war es das Letzte. Besser gesagt das Vorletzte, das letzte ist das Licht zu löschen.
Was hatte er dort schon alles für Berg- und Talfahrten erlebt. Er hatte ein gutes Dutzend Stammchatter, Leute, die entweder weit entfernt waren oder in einer Beziehung lebten, das schien ihm am ungefährlichsten und sichersten. So konnte keiner plötzlich auf der Matte stehen. Wobei das eh fast ausgeschlossen war, denn er gab als seinen Wohnort ja Potsdam an. Nur drei seiner engsten Chatfreunde kannten seine richtige Adresse, die hielt er aber für ungefährlich.
Als Chatprofi wusste er, gut achtzig Prozent der Profilinhaber konnte man sofort vergessen. Spinner, Faker, Bildersammler. Wichser halt, und das in jeder Hinsicht. Von den restlichen zwanzig Prozent ist mehr als die Hälfte nur auf schnellen Sex aus. Dauergeile, Abenteurer, Druck loswerden, Liste abhaken und fertig. Im Laufe der Jahre hat er auch gelernt, dass die Angaben in den Profilen nur selten stimmen. Jugendfotos oder fast aktuelle mit geschöntem Alter, sogar irgendwelche leckeren Bilder aus dem Internet benutzte man. Es wurden völlig falsche Wohnorte angegeben, Größe und Gewicht stimmten auch nur selten, es wurde das Blaue vom Himmel gelogen. Und so viele XL-Schwänze konnte die Natur nun wirklich nicht geschaffen haben. All diese Dinge wurden leider immer mehr zur Regel. Man wusste nicht mehr, was man noch glauben konnte. Er würde nie verstehen, warum so viele Gestörte
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