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Rosehill 01 - Die Tochter des Lords

Rosehill 01 - Die Tochter des Lords

Titel: Rosehill 01 - Die Tochter des Lords Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Garwood
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waren nicht an Frühaufsteher gewöhnt, und so erregte Lady Victoria großes Aufsehen, als sie in der Küche erschien und um ein Frühstück bat. Hastig führte Edward sie ins Speisezimmer und rückte ihr einen Stuhl zurecht. Die gebratenen Nieren und Rühreier, die er ihr anbot, lehnte sie ab. Stattdessen bestellte sie zwei Scheiben Toast und eine Tasse Tee. Nach dem Frühstück fragte sie den Butler, ob sie sich in der Bibliothek ihres Vaters umsehen könne.
    »Gewiss, Mylady. Sie haben das Porträt ihrer Mutter noch nicht gesehen, nicht wahr? Ihr Vater ließ es gestern aus seinem Londoner Haus hierher bringen. Für ihn ist es ein großer Trost, dieses Bild in seiner Nähe zu wissen. Darf ich Ihnen den Weg zeigen, Lady Victoria?«
    Sie folgte ihm die Treppe hinauf. Im Haus herrschte immer noch tiefe Stille. »Wann steht mein Vater normalerweise auf?«, fragte Mary Rose im Flüsterton, um die Langschläfer nicht zu stören.
    »Fast so zeitig wie ich, Mylady. Da sind wir.« Edward öffnete die Bibliothekstür und verneigte sich. »Haben Sie noch einen Wunsch, Mylady?«
    »Nein, danke.« Sie betrat den dunklen Raum, der nach alten Büchern und neuen Ledermöbeln roch, eilte zum Fenster und zog die schweren Vorhänge auseinander. Dann wandte sie sich zum Kamin. Das Porträt ihrer Mutter war wunderschön. Lange stand Mary Rose davor und fragte sie, was für ein Mensch Lady Agatha gewesen war.
    »Um Himmels willen, Victoria, warum bist du schon so früh auf den Beinen?«
    Lächelnd drehte sie sich zu ihrem Vater um, der auf der Schwelle stand, in einem langen schwarzen Morgenrock und braunen Lederpantoffeln. »Ich bin es gewohnt, zeitig aufzustehen, Vater. Stört es dich, dass ich in dein Allerheiligstes eingedrungen bin?«
    »Nein, natürlich nicht.« Er setzte sich hinter seinen Schreibtisch und begann einige Papiere zu ordnen. Dabei zitterten seine Finger und verrieten, wie unsicher er sich fühlte – so unverhofft allein mit seiner Tochter.
    Mary Rose betrachtete wieder das Porträt. »Wie war meine Mutter?«
    »Eine bemerkenswerte Frau …« Er seufzte wehmütig und lehnte sich zurück. »Möchtest du wissen, wie wir uns kennen gelernt haben?«
    »O ja.« Sie setzte sich in einen Lehnstuhl und faltete die Hände im Schoß. Während der nächsten Stunde hörte sie dem Vater zu, der von seiner Agatha erzählte, aber danach fühlte sie sich dieser Frau nicht enger verbunden als zuvor. »Tut mir Leid, dass ich sie nicht gekannt habe. Nach allem, was du sagt, muss sie makellos gewesen sein. Aber sie hatte doch sicher auch Fehler.«
    »Gewiss. Zum Beispiel war sie sehr eigensinnig.« Wieder schilderte er einige Ereignisse in seinem Eheleben, und nun verflog seine anfängliche Nervosität. Er fühlte sich immer wohler in Mary Roses Gesellschaft. Und so führte Agatha, obwohl sie längst im Grab lag, Vater und Tochter zusammen.
    Von diesem Tag an verbrachten sie jeden Morgen in der Bibliothek. Ein Dienstbote servierte ihnen das Frühstück auf Silbertabletts, und sie unterhielten sich angeregt. Aber Mary Rose sprach nie von ihrer Vergangenheit, weil ihre Tanten ihr eingeschärft hatten, das würde den Vater bedrücken. Stattdessen forderte sie ihn auf, von seiner Familie zu berichten.
    Allmählich schloss sie ihn in ihr Herz, und eines Morgens küsste sie seine Stirn, bevor sie die Bibliothek verließ. Überwältigt von dieser spontanen Geste, streichelte er ungeschickt ihre Schulter und mahnte in bärbeißigem Ton, nun solle sie sich beeilen und ihre alltägliche Lektion bei Tante Lillian nicht versäumen.
    An diesem Abend teilte er seiner Schwester mit, Victoria habe sich schon sehr gut eingelebt.
    Das Gegenteil war der Fall. Mary Rose entwickelte sich zu einer ausgezeichneten Schauspielerin, und nicht einmal Harrison merkte, wie elend sie sich fühlte. Vor lauter Sehnsucht nach ihren Brüdern weinte sie sich fast jede Nacht in den Schlaf, das Medaillon in der Hand.
    Ihr Mann konnte sie nicht trösten. Da Lord Elliott ihn mit immer neuen Aufgaben betraute, musste Harrison während der Woche in London wohnen. Nur am Samstag und Sonntag sah sie ihn, und auch dann waren sie nur selten allein, weil es im Haus von Gästen wimmelte.
    Beharrlich suchte Harrison nach Beweisen gegen den Privatsekretär seines Schwiegervaters. An manchen Abenden blätterte er im ehelichen Schlafzimmer alte Akten durch, die er aus der Stadt mitgebracht hatte, und suchte nach Anhaltspunkten. Douglas hatte das Geld dem Kindermädchen gestohlen, und

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