Rosehill 01 - Die Tochter des Lords
nur fünf Minuten durch, bevor er sie Travis übergab.
Drei kann ich abhaken, jetzt fehlt nur noch einer, dachte sie selbstgefällig.
»Mary Rose, ich kriege Zahnschmerzen, wenn ich dir zuhöre«, murmelte Travis. »Warte doch, bis wir daheim sind, dann kannst du einen langen Brief an deine Mama schreiben und ihr erzählen, wie dir zumute ist.«
»Davon will Mama nichts wissen. Sie hat mir erklärt, eine junge Dame dürfe sich nicht beschweren, auch wenn’s ihr noch so viel Freude macht.«
Travis lachte. »Früher hast du ihr geschrieben und uns verpetzt, was?«
»Damals war ich noch klein«, verteidigte sie sich. »Und Mama hat’s mir verboten. Sie schrieb mir, es sei nicht loyal, wenn ich meine Brüder anschwärze. Aber jetzt hätte sie sicher Mitleid mit mir, wenn sie mich sehen könnte. Immerhin wurde ich niedergeschlagen und …«
»Harrison, wollen Sie Mary Rose mal übernehmen?«, schrie Travis und warf sie auf den Schoß des jungen Schotten hinüber. Gequält stöhnte sie, als sie auf den harten, muskulösen Schenkeln landete.
Doch dann lehnte sie an Harrisons breiter Brust und entspannte sich ein wenig. Ganz behutsam hielt er sie in den Armen, und das gefiel ihr. Funktionierte ihr Verstand nicht mehr, seit sie bewusstlos gewesen war? Erst hatte er sich auf Bickley gestürzt und ihr kalte Angst eingejagt und sich dann widerspruchslos Catherines Gesäusel angehört – und jetzt genoss sie seine Nähe?
Er neigte sich vor, um ihr prüfend ins Gesicht zu schauen, aber sie starrte unverwandt geradeaus. Schließlich schob er ihr Haar beiseite, um sie genauer zu betrachten. »Warum schaust du mich nicht an, Mary Rose? Hast du dich vor mir gefürchtet?«
»Nicht vor dir. Aber ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Du sagtest zwar, du könntest auf dich selber aufpassen, aber das glaubte ich nicht. Und ich habe etwas gegen kampflustige Männer.«
»Deine Brüder kämpfen doch auch.«
»Meine Brüder liebe ich. Dich nicht.«
Natürlich liebte sie ihn nicht, das wusste er, aber es kränkte ihn trotzdem. »Ich weiß nicht, was über mich kam. Als du ohnmächtig warst, hätten dich die Pferde beinahe zertrampelt. Ich hob dich hoch, brachte dich in Sicherheit, und du lagst so hilflos da. Da wurde ich schrecklich wütend und rannte diesem Bastard nach.«
»Ganz spontan? Ohne vorher zu überlegen?«
Mühelos erriet er, worauf sie mit dieser Frage hinauswollte, und zuckte die Achseln. »Das habe ich nicht gesagt …«
»Du hast deine Lebensphilosophie vergessen, was? Erst der Verstand, dann das Herz. Aber heute war es umgekehrt!« Cole hörte ihr triumphierendes Gelächter und lenkte sein Pferd neben MacHugh. Missbilligend beobachtete er Harrison, der Mary Rose viel zu zärtlich im Arm hielt. »Finden Sie nicht, dass Sie meine Schwester zu fest an sich drücken? Das schickt sich nicht.«
»Kümmern Sie sich um Ihren eigenen Kram, Cole«, erwiderte Harrison.
Mary Rose lächelte, und Cole blinzelte verwirrt. Er war es nicht gewöhnt, von einem anderen Mann freche Antworten zu bekommen. Aber er beschloss, die Sache auf sich beruhen zu lassen, und grinste Mary Rose an.
»Was amüsiert dich denn so?«, fragte sie misstrauisch.
Natürlich konnte er ihr nicht die Wahrheit gestehen. Sie sah jämmerlich aus, das Haar wild zerzaust, die Stirn und das Kinn mit Blut verkrustet. Sobald sie in den Spiegel sah, würde sie einen Herzanfall bekommen. »Nun, es freut mich, dass du dich besser fühlst«, erwiderte er.
Beharrlich blieb er an ihrer Seite. Warum verschwand er nicht? Sie wollte allein mit Harrison reden und herausfinden, was er wirklich empfunden hatte, als sie zusammengebrochen war. »Da irrst du dich«, erklärte sie ihrem Bruder. »Ich fühle mich keineswegs besser.«
»Aber gerade hast du gelacht.«
»Weil ich mich im Delirium befinde. Ich habe grässliche Schmerzen. Hast du etwa vergessen, was passiert ist? Mein Kopf dröhnt, und meine Hüfte …«
Das genügte. Hastig ergriff Cole die Flucht und setzte sich an die Spitze der kleinen Prozession, gefolgt von Travis.
Douglas bildete die Nachhut, um ihnen den Rücken zu decken.
Auch Harrison musterte ihr misshandeltes Gesicht. »Du brauchst einen Arzt, Mary Rose. Am besten reite ich nach Hammond und …«
»Nicht nötig«, unterbrach sie ihn. »Mir geht’s gut. Aber es ist lieb von dir, dass du dir meinetwegen solche Sorgen machst. Du magst mich, nicht wahr?«
»Klar. Deine Brüder mag ich auch. Ihr habt mich in eurem Haus aufgenommen, mir zu essen
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